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Solar

Solar

Titel: Solar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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freigegeben worden war und die Belagerung des Gartentors durch die Presse jedenfalls bis zum Prozess gegen Tarpin kein Thema mehr war, und nachdem ein paar von Beard angeheuerte Arbeiter mit Sandstrahler und Schleifmaschine den hartnäckigen Fleck auf dem Parkett im Wohnzimmer restlos entfernt hatten, kehrten Michael und Patrice aus ihren jeweiligen Unterkünften ins eheliche Heim zurück und räumten ihre Habseligkeiten aus, um das Haus zum Verkauf auszuschreiben und getrennter Wege zu gehen. Es waren sonnige Märztage mit stürmischem Wind, der das ungemähte Gras mit der silbrigen Seite nach oben umklappte und das nicht aufgekehrte Laub vom letzten Jahr an den bemoosten Gartenmauern zusammentrieb. Ein Wetter, das zumindest Beard als belebend und läuternd empfand.
    Seinem Plan getreu und zur Zufriedenheit von Patrice verzichtete er auf alles, was sich im Haus befand - die Liste war bedrückend lang -, und nahm lediglich seine Bücher, Kleider und ein paar persönliche Gegenstände mit. Er wollte Ballast abwerfen, körperlich wieder in Schuss kommen und in einer einfachen Wohnung, die er noch finden musste, ein rundum abgespecktes Leben führen. Das Nachlassen seiner Liebe oder eher seiner Besessenheit erleichterte ihm diese Vorsätze natürlich. Bei einem ihrer raren Wortwechsel erklärte er, mit ihrem Liebesleben habe sie nichts als Verwüstung angerichtet, einen schwerkranken Vater in Swaffham ins Unglück gestürzt und das Land eines seiner verheißungsvollsten Wissenschaftler beraubt. Beard staunte, wie sehr er selbst inzwischen von der Geschichte überzeugt war, die jedermann glaubte, und wie mühelos er die entsprechenden Erinnerungen und Gefühle abrufen konnte. Stimmte es etwa nicht, dass Tom Aldous heute noch leben würde, wenn Patrice keine Affäre mit ihm gehabt hätte? Und stimmte es nicht auch, dass Tarpin garantiert Aldous den Tod gewünscht hatte? Beard brauchte niemandem etwas vorzumachen, er war aufrichtig bestürzt über das, was Tarpin getan hatte, und hielt es nur für richtig, Patrice deswegen zur Verantwortung zu ziehen. Sie sollte ihren Mann um Entschuldigung bitten.
    Typisch, dass sie das ganz anders sah. Sie war in tiefer Trauer um das, was sie jetzt für die Liebe ihres Lebens hielt. Allein ihn, der sie nicht mehr hören konnte, bat sie um Vergebung. Sie quälte sich mit Schuldgefühlen, weil Tarpin ihretwegen in Aldous' Leben eingedrungen war, weil sie den Jüngeren nicht hatte schützen können, weil sie die Drohungen nicht ernster genommen hatte. Dazu kam, dass sie die ganze Last des Packens und Einlagerns allein zu tragen hatte, schließlich wollte sie das Zeug ja haben, wozu nebenbei auch das Bärenfell und der Couchtisch zählten, denen ihr Liebhaber zum Opfer gefallen war. In stiller Trauer lief sie durchs Haus und arbeitete wie in Trance ihre Listen ab. Ihr Mann war bestenfalls bedeutungslos, auch wenn er vermutete, dass sie ihn jetzt hasste, aus undefinierbaren Gründen oder auch einfach blind. Ihr Schweigen, fand er, war jedenfalls besser als die tödliche Munterkeit, mit der sie ihn während ihrer Tarpin-Phase zu vernichten versucht hatte.
    Er war nicht dazu aufgelegt, ihr beim Sortieren der Gegenstände zu helfen, die jetzt alle ihr gehörten, machte sich aber auf andere Weise nützlich. Da sie juristisch nicht in Streit miteinander lagen, schlug er vor, sie sollten sich einen gemeinsamen Anwalt nehmen. Er kannte einen guten. Beard kannte auch den richtigen Makler, der den Verkauf ihres Hauses übernehmen konnte. Er hatte Erfahrung in diesen Dingen. Er zog als Erster aus, in eine möblierte Souterrainwohnung am Dorset Square, nördlich der Marylebone Road. Und hier begann er drei Monate später, ausgestreckt auf einem fleckigen geblümten Sofa, das nach Hund stank, mit der Lektüre jenes Aktenordners, auf dem »Nur für Professor M. Beard bestimmt« vermerkt war. Verquastes Zeug, organische und anorganische Chemie, vermengt mit ein paar Bemerkungen zur Quanteninformation und einigen obskureren Unterabteilungen des Beard'schen Theorems. Das Ganze bewegte sich auf eine theoretische Beschreibung des Energieaustauschs bei der Photosynthese zu. Wie weiter hinten in den Aufzeichnungen etwas deutlicher wurde, wollte Aldous vermutlich darauf hinaus, dass man diesen Prozess irgendwie nachahmen und nutzbar machen könnte, doch allmählich erlahmte Beards Interesse, nicht nur, weil der Text immer unverständlicher wurde, sondern auch, weil er eine Wohnung kaufen musste. Und dann, auf den

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