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worden.
Der gefesselte Nobelpreisträger, die gedemütigte Frau, die vor ihrem Peiniger kniete, sein abscheuliches Grinsen: Digital vervielfacht verbreiteten sich diese Bilder im Lauf der folgenden Woche um die Welt wie Retroviren. Draußen im Institut nutzte Jock Braby seine Chance und erzwang Beards Rücktritt. Eine Vortragsreihe wurde entrüstet abgesagt, und mehrere Veranstalter befürchteten, seine Anwesenheit könnte dem guten Ruf ihrer Institution oder eines zusammen mit ihm eingeladenen Würdenträgers schaden oder jedenfalls Studenten und jüngere Dozenten in Aufruhr versetzen. Ein freundlicher Beamter erkundigte sich telefonisch, ob Beard lieber freiwillig auf die Leitung von Brit-Physik verzichten oder gefeuert werden wolle. Ein Forschungszentrum machte sich die Mühe, ihn wissen zu lassen, dass man seinen Namen aus dem Briefkopf streichen werde. Und als er einmal auf der Suche nach Trost und Kaffee den Dozentenraum eines Oxforder Colleges betrat, marschierten drei Professoren für englische Literatur erhobenen Hauptes aus dem Raum und ließen ihren Kaffee vor den leeren Stühlen demonstrativ kalt werden. Kaum jemand rief ihn an - seine Freunde waren verstummt oder, wie seine Exfrauen, reserviert oder ratlos. Nur das Imperial College, begeistert von dem Labor, das er aufgebaut, und den Geldern, die er aufgetrieben hatte, hielt zu ihm. Und es kam per Brief eine Solidaritätsbekundung aus einem österreichischen Gefängnis, von einem Neonazi, der einen jüdischen Journalisten ermordet hatte.
Zwei Wochen lang dachte er an nichts anderes. Einfach keine Zeitungen zu lesen, wie Melissa ihm gut zuredete - das brachte er nicht fertig. Wenn der Zwei-Kilo-Packen der Morgenzeitungen einmal nichts Neues brachte, reagierte er auf seltsam verdrehte Art enttäuscht bei der Aussicht, nichts zu haben, was ihn den ganzen Tag beschäftigen würde. Zwanghaft musste er alles über diesen Außerirdischen lesen, diesen Avatar mit seinem Namen, diesen bocksgeilen Verführer, dieses Ungeheuer, das den Frauen das Recht auf eine wissenschaftliche Laufbahn absprach, diesen Rassenhygieniker. Womit er sich diese letzte Bezeichnung verdient hatte, war ihm schleierhaft. Aber nach einigen stürmischen Spaziergängen über den Primrose Hill inmitten von Kinderwagen und Drachenfliegern hatte er sich ansatzweise einen Reim darauf gemacht. Offenbar warf das Dritte Reich auch nach einem halben Jahrhundert noch seinen langen Schatten über die Humangenetik - zumindest in den Köpfen derer, die nicht selbst auf diesem Gebiet tätig waren. Wer auch nur die Möglichkeit andeutete, im Lauf der Evolution könnten sich genetische Unterschiede auf das Erkenntnisvermögen, auf Männer und Frauen, auf die Gesellschaft ausgewirkt haben, war für gewisse Leute sofort ein Kollaborateur im Lager von Doktor Mengele.
Als er diese Überlegung befreundeten Biologen vortrug, reagierten sie belustigt. Das sei ein alter Hut aus den Siebzigern, heute sei der Konsens ein anderer, nicht nur in der Genetik, sondern in den Wissenschaften ganz allgemein. Er sehe das zu düster. Trink lieber noch einen! Aber was ahnten sie schon von Journalisten und einem postmodernen Publikum? Wie Beard es sah, war die Lösung ganz einfach. Bleib bei deinen Photonen - keine Ruhemasse, keine Ladung, kein Bezug zum Menschen, keine Kontroversen. Seine Forschungen zur künstlichen Photosynthese kamen gut voran, eine Modellanlage im Labor spaltete bereits Wasser mit Hilfe von Licht in Wasserstoff und Sauerstoff. Die Zivilisation brauchte eine sichere neue Energiequelle, und er konnte sich dabei nützlich machen. Das wäre seine Sühne. Es werde Licht!
Ungeachtet allen Tatendrangs glaubte er, die Schande werde jahrelang an ihm haften bleiben. Und was geschah? Nichts. Sein Avatar verschwand. Über Nacht ließen die Zeitungen das Thema fallen und stürzten sich auf einen Manipulationsskandal im Fußball, und allmählich machte sich heilsamer Gedächtnisschwund breit. Eine Zeitlang war er unterbeschäftigt, doch schon vier Monate später durfte er für den bbc World Service sechs kurze Vorträge über Einstein halten. Er ließ sich überreden, seinen Namen für den Briefkopf eines deutschen Forschungsteams herzugeben. Cambridge sah die Chance, ihn dem Imperial College auszuspannen, dann aber übertrumpfte das Imperial College sie und stellte ihm zwei weitere Forscher und noch mehr Geld zur Verfügung. Auch das University College in London wollte ein Stück vom Kuchen abhaben und versuchte
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