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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Hand, und so verharrten wir fast unbeweglich. Ein paarmal schaute ich unauffällig auf meine Uhr. Eine halbe Stunde war um, das Schlafmittel sollte schon wirken. Harey murmelte etwas, ganz leise.
    -    Was hast du gesagt? - fragte ich, aber sie antwortete nicht. Ich hielt das für Anzeichen aufsteigender Schläfrigkeit, wenn ich auch bei Gott auf dem Grunde meiner Seele bezweifelte, daß die Arznei wirken werde. Weshalb? Auch auf diese Frage finde ich keine Antwort. Höchstwahrscheinlich deshalb, weil meine Finte schon gar zu simpel war.
    Langsam sank Hareys Kopf auf meinen Schoß, das dunkle
    Haar verhüllte sie ganz, sie atmete gleichmäßig wie ein Schlafender. Ich bückte mich, um sie aufs Bett zu tragen, da auf einmal, ohne die Augen zu öffnen, packte sie mich mit leichter Hand beim Schopf und brach in schrilles Gelächter aus.
    Ich erstarrte, und sie quoll einfach über von Lustigkeit, sah mich mit schmalgekniffenen Augen an, mit gleichzeitig naiver und listiger Miene. Ich saß unnatürlich steif da, verdattert
    und hilflos; Harey kicherte noch einmal auf, schmiegte das Gesicht an meine Hand und verstummte.
    -    Warum lachst du? - fragte ich mit hölzerner Stimme. Der vorige Ausdruck ein wenig beunruhigten Nachdenkens erschien in Hareys Gesicht. Ich sah, daß sie ehrlich sein wollte. Sie tippte sich mit dem Finger auf die kleine Nase und sagte endlich mit einem Seufzer:
    -    Ich weiß es selbst nicht.
    Das klang aufrichtig verblüfft.
    -    Ich benehme mich wie eine Idiotin, stimmt’s? - setzte sie fort. - Auf einmal war mir so irgendwie… Na, aber du bist auch gut: du sitzt so aufgeblasen da, wie… wie Pelvis.
    -    Wie wer?- fragte ich, denn ich meinte mich verhört zu haben.
    -    Wie Pelvis, na, du weißt schon, der Dicke…
    Nun konnte Harey außer allem Zweifel weder Pelvis kennen, noch von mir etwas über ihn gehört haben, aus dem einfachen Grund, daß er erst gut drei Jahre nach ihrem Tod von seiner Expedition zurückgekehrt war. Ich hatte ihn bis dahin auch nicht gekannt, und nicht gewußt, daß er als Vorsitzender von Institutsversammlungen die unleidliche Gewohnheit hatte, die Sitzungen bis ins Unendliche auszudehnen. Er hieß im übrigen Pelle Villis, daraus war die familiäre Kurzform entstanden, die wir vor seiner Rückkehr auch noch nicht gekannt hatten.
    Harey stützte die Ellbogen auf meine Knie und schaute mir ins Gesicht. Ich legte ihr die Hände auf die Schultern, langsam verschob ich die Hände zur Mitte hin, bis sie über dem pulsierenden, nackten Halsansatz fast zusammentrafen. Letzten Endes konnte das eine Liebkosung sein, und nach Hareys Blick zu schließen, faßte sie es auch nicht anders auf. In Wirklichkeit überzeugte ich mich, daß ihr Körper beim Betasten ein gewöhnlicher, durchwärmter menschlicher Körper war, und daß sich darin unter den Muskeln Knochen und Gelenke verbargen. Ich schaute ihr in die ruhigen Augen und verspürte schreckliche Lust, die Finger gewaltsam zusammenzudrücken.
    Schon schlossen sie sich fast, da besann ich mich plötzlich auf die blutigen Hände Snauts und ließ los.
    -    Wie du dreinschaust… - sagte sie ruhig.
    Das Herz hämmerte mir so, daß ich nicht imstande war, zu sprechen. Ich schloß auf einen Augenblick die Lider.
    Mit einemmal erschien mir der ganze Plan für mein Vorgehen, vom Anfang bis zum Ende, mit allen Einzelheiten. Ohne einen Augenblick zu verlieren, stand ich aus dem Lehnsessel auf.
    -    Harey, ich muß schon gehen, - sagte ich - wenn du unbedingt willst, so komm mit.
    -    Gut.
    Sie sprang auf die Beine.
    -    Warum bist du barfuß?- fragte ich und ging zum Schrank; ich wählte unter den bunten Schutzanzügen zwei aus, für mich und für sie.
    -    Ich weiß nicht… ich muß die Schuhe irgendwo liegengelassen haben… - sagte sie unsicher. Ich hörte weg.
    -    Im Kleid kannst du da nicht hinein, du mußt es ausziehen.
    -    In den Schutzanzug…? Wozu? - fragte sie und machte sich sofort ans Ausziehen, aber gleich stellte sich etwas Merkwürdiges heraus: das Kleid ließ sich nicht ausziehen, weil es nichts zum Aufknöpfen hatte. Die roten Knöpfe in der Mitte waren bloßer Aufputz. Da war kein Reiß- oder sonstiger Verschluß. Harey lächelte verlegen. Ich tat, als wäre das die alltäglichste Sache der Welt, hob ein skalpellähnliches Instrument vom Fußboden auf und
    schnitt hinten den Stoff ein, wo der Halsausschnitt endete. Nun konnte Harey das Kleid über den Kopf ziehen. Der

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