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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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mir zwei angefeuchtete Mullstücke ins Gesicht. Die ganze Zeit sah mir Snaut aufmerksam zu. Ich ignorierte das. Als ich endlich mit dem Verarzten fertig war (und das Gesicht immer heftiger brannte), setzte ich mich auf den zweiten Lehnsessel. Erst mußte ich Hareys Kleid von dort wegnehmen. Das war ein ganz gewöhnliches Kleid, bis auf diese Geschichte mit dem Verschluß, der nicht existierte.
    Snaut, der die Hände um das spitze Knie flocht, verfolgte kritisch meine Bewegungen.
    -    Na, wie steht’s, halten wir ein kleines Plauderstündchen? redete er mich an, sobald ich saß.
    Ich hielt das Mullstück fest, das auf der Wange zu verrutschen begann, und antwortete nicht.
    -    Gäste gehabt, stimmt’s?
    -    Ja - entgegnete ich trocken. Ich hatte nicht die mindeste Lust, mich Snauts Ton anzupassen.
    -    Und losgeworden? Schau, schau, du hast das ja gleich im Sturm angepackt!
    Er berührte seine Stirn, von der sich noch immer die Haut abschälte. Rosige Flecken frischer Oberhaut erschienen. Ich starrte belämmert hin. Warum hatte mir bisher dieser sogenannte Sonnenbrand bei Snaut und Sartorius nicht zu denken gegeben? Die ganze Zeit hatte ich gedacht, das sei von der Sonne, - dabei sonnt sich doch niemand auf der Solaris…
    -    Aber angefangen hast du wohl bescheiden? - sagte Snaut, ohne auf diesen Lichtstrahl plötzlichen Begreifens zu achten, der mich durchblitzte. - Das und dies, narcotica, venena, Freistilringen, oder?
    -    Was willst du? Wir können auf gleichem Fuß miteinander reden. Wenn du den Hanswurst spielen willst, dann geh lieber.
    -    Manchmal ist man ein Hanswurst wider Willen - sagte Snaut. Er richtete die eingekniffenen Augen auf mich.
    -    Du wirst mir doch nicht einreden, daß du keinen Strick benützt hast, keinen Hammer? Und du hast nicht vielleicht zufällig ein Tintenfaß geschleudert, wie Luther? Nicht? Oho -er verzog den Mund - du bist ja ein ganz toller Bursche! Sogar das Waschbecken ist ganz, du hast überhaupt nicht den Schädel einzuschlagen versucht, nichts, das Zimmer hast du gar nicht demoliert, sondern sofort einfach zick, zack, einpacken, abschießen, und Punktum?
    Er schaute auf seine Uhr.
    -    An die zwei oder vielleicht auch drei Stunden müßten wir in diesem Fall Zeit haben -sagte er abschließend. Er schaute mich an und schaute, mit einem unangenehmen Lächeln, schließlich begann er wieder:
    -    Also du willst sagen, du hältst mich für eine Sau?
    -    Für eine ausgemachte Sau - bestätigte ich mit Nachdruck.
    -    Ja? Aber würdest du mir glauben, wenn ich dir etwas sagen wollte? Würdest du mir wenigstens ein einziges Wörtchen glauben?
    Ich schwieg.
    -    Gibarian hat das als erster durchgemacht - setzte er fort, immer mit diesem falschen Lächeln. - Er hat sich in seiner Kabine eingeschlossen und nur durch die Tür mit uns gesprochen. Und wir, kannst du dir denken, was wir dazu gesagt haben?
    Ich wußte es, aber ich zog vor, zu schweigen.
    -    Klar. Wir haben ihn für verrückt erklärt. Er sagte uns so einiges durch die Tür, aber nicht alles. Du kannst dir vielleicht sogar denken, warum er verheimlicht hat, wer bei ihm war? Na, das weißt du doch schon: suum cuique. Aber er war ein echter Wissenschaftler. Er verlangte, wir sollten ihm eine Chance geben.
    -    Was für eine Chance?
    -    Na ja, ich nehme an, er versuchte das irgendwie einzuordnen, damit ins Reine zu kommen, das Problem zu lösen, er hat in der Nacht gearbeitet. Weißt du, was er gemacht hat? Sicher weißt du es!
    -    Diese Berechnungen - sagte ich. - In der Schublade. In der Funkstation. Das war er?
    -    Ja. Aber damals habe ich davon noch nichts gewußt.
    -    Wie lange hat das gedauert?
    -    Das Gastspiel? Vielleicht eine Woche. Gespräche durch die Tür. Und wie es drinnen zuging! Wir dachten, er habe Halluzinationen und sei motorisch erregt. Ich gab ihm Skopolamin.
    -Wie?… Ihm!?
    -    Genau. Er hat es genommen, aber nicht für sich. Er hat experimentiert. Und so ging das dahin.
    -    Und ihr…?
    -    Wir? Am dritten Tag beschlossen wir, zu ihm vorzudringen. Wir wollten die Tür eindreschen, wenn es nicht anders ging, aus lauter Seelengüte wollten wir ihn heilen…
    -    Ach… Deshalb!- entfuhr es mir.
    -    Ja.
    -    Und dort… in diesem Schrank…
    -    Ja, Freundchen. Ja. Er wußte nicht, daß auch uns inzwischen Gäste heimgesucht hatten. Und daß wir uns nicht mehr mit ihm beschäftigen konnten.

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