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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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verstauen. Ich hörte etwas rascheln, und leise knarrte die aufgehende Tür.
    -    Kris…? - erklang eine leise, fast flüsternde Stimme. - Bist du da, Kris? Es ist so dunkel.
    -    Das macht nichts - sagte ich. - Hab keine Angst. Komm.
    Die Beratung
    Ich lag auf dem Rücken, ihren Kopf an der Schulter, ohne jeden Gedanken. Die Finsternis, die das Zimmer füllte, belebte sich. Ich hörte Schritte. Die Wände schwanden. Etwas türmte sich über mir, immer höher, ohne Grenzen. Durchdrungen bis dort hinaus, umfangen ohne Berührung, erstarrte ich in der Finsternis, ich spürte ihre Durchsichtigkeit: die war scharf und verdrängte die Luft. Sehr fern hörte ich das Herz. Ich sammelte alle Aufmerksamkeit, die letzte Kraft, auf das Erwarten der Agonie. Sie kam nicht. Ich verringerte mich nur unausgesetzt, und unsichtbarer Himmel, unsichtbare Horizonte, Raum, entblößt von Formen, Wolken, Sternen, Raum, der zurückwich und ins Maßlose wuchs, machte aus mir seine Mitte. Ich versuchte in das hineinzukriechen, worauf ich lag, aber da war schon nichts unter mir, und das Dunkel umhüllte schon nichts mehr. Ich drückte die Hände zusammen, verdeckte mit ihnen das Gesicht. Ich hatte keines mehr.
    Die Finger fuhren durch und durch. Ich wollte schreien, heulen …
    Das Zimmer war blaugrau. Hausrat, Regale, Wandkanten waren wie mit breiten, matten Strichen ausgezogen, nur in Umrissen, ohne eigene Farbe. Hellstes, perlendes Weiß in der Stille jenseits des Fensters. Mein Körper war naß von Schweiß, ich blickte seitwärts, und sie schaute mich an.
    -    Ist dir der Arm eingeschlafen?
    -    Was?
    Sie hob den Kopf. Die gleiche Farbe wie das Zimmer hatten ihre Augen, grau, voll Licht zwischen den schwarzen Wimpern. Ich spürte es warm, wie sie flüsterte, noch ehe ich die Worte verstand.
    -    Nein. Ach so, ja.
    Ich legte ihr die Hand auf die Schulter. Die Berührung prikkelte.
    Langsam, mit der anderen Hand, zog ich sie ganz an mich.
    -    Du hast bös geträumt.
    -    Geträumt? Ja, geträumt. Und du hast nicht geschlafen?
    -    Ich weiß nicht. Vielleicht nicht. Ich bin nicht schläfrig. Aber schlaf nur. Warum schaust du so?
    Ich schloß die Augen. Ich spürte, wie ihr fein und gleichmäßig das Herz klopfte, dort, wo langsamer meines schlug. - Ein Requisit-dachte ich. Aber mich wunderte nichts, nicht einmal die eigene Gleichgültigkeit. Schreck und Verzagen hatte ich schon hinter mir. Ich war weiter, oh, so weit war noch niemand. Mit dem Mund berührte ich sie am Hals und glitt tiefer, in die kleine Mulde zwischen den Sehnen, die glatt war wie das Innere einer Muschelschale. Auch hier schlug der Puls.
    Ich richtete mich auf den Ellbogen auf. Keine Morgenröte, keine Weichheit der Dämmerung, elektrisch blauer Widerschein ergriff den Horizont, der erste Strahl fuhr durch das Zimmer wie ein Schuß, alles spielte mit Glanzlichtern auf, irisierende Reflexe brachen sich im Spiegel, in den Klinken, in den Nickelrohren, das Licht schien auf jede entgegenstehende Fläche einzuschlagen, als wollte es sich befreien, die enge Unterkunft sprengen. Schon konnte man nicht mehr schauen. Ich wandte mich um. Hareys Pupillen hatten sich verkleinert. Graue Iris richteten sich auf mein Gesicht.
    -    Ist es schon Zeit für den Tag? - fragte sie mit dunkler Stimme. Das war wie halb im Schlaf, halb im Wachen.
    -    Hier ist es immer so, Liebling.
    -    Und wir?
    -    Was denn, wir?
    -    Werden wir lange hierbleiben?
    Ich hatte Lust zu lachen. Aber als mir ein undeutliches Geräusch aus der Brust hervorbrach, war es keinem Lachen ähnlich.
    -    Ich denke, ziemlich lange. Willst du nicht?
    Hareys Augenlider zitterten nicht. Sie sah mich aufmerksam an. Blinzelte sie überhaupt? Ich war nicht sicher. Sie zog das Deckbett höher, und auf ihrem Oberarm zeigte sich rosig das kleine, dreieckige Mal.
    -    Was schaust du denn so?
    -    Weil du schön bist.
    Sie lächelte. Aber das war nur Höflichkeit, Dank für das Kompliment.
    -    Wirklich? Denn du schaust ja, als ob du… als ob ich…
    -    Was?
    -    So, als suchtest du etwas.
    -    Was erzählst du da!
    -    O ja, so, als dächtest du, mir fehle etwas, oder ich hätte dir etwas nicht gesagt.
    -    Aber woher denn.
    -    Wenn du es so abstreitest, dann ganz bestimmt. Aber wie du willst.
    Hinter den entflammten Scheiben kam tote, blaue Hitze auf. Die Augen mit der Hand abschirmend, suchte ich die Brille. Sie lag auf dem Tisch. Ich

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