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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Dieses Gespräch war nicht einmal komisch. Es war unnötig.
    Aber das würde diese außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit erklären - murmelte Snaut. - Und das Tempo der Regeneration. Vielleicht liegt sogar die Energiequelle dort, in der Tiefe, sie brauchen ja nicht zu essen…
    -    Ich bitte ums Wort - ließ sich Sartorius hören. Er war mir zuwider. Wenn er die selbstaufgezwungene Rolle wenigstens noch durchgehalten hätte!
    -    Ich will die Frage der Motivation anschneiden. Der Motivation des Erscheinens der F-Gebilde. Ich würde das so aufspalten: was sind die F-Gebilde? Das sind weder Personen, noch Kopien bestimmter Personen, sondern materialisierte Projektionen dessen, was zum Thema der betreffenden Person in unserem Gehirn enthalten ist.
    Die Zielsicherheit dieser Formulierung frappierte mich. Wenn auch unsympathisch, war dieser Sartorius doch nicht dumm.
    -    Das ist gut - warf ich ein. - Das erklärt sogar, warum gerade solche und keine anderen Per… Gebilde erschienen sind. Ausgewählt wurden die dauerhaftesten und von allen anderen am besten isolierten Gedächtnisspuren, obgleich natürlich keine solche Spur gänzlich abgesondert sein kann, so daß beim »Kopieren« Reste anderer Spuren mit erfaßt wurden oder werden konnten, die sich zufällig in der Nähe befanden; demzufolge weist der Ankömmling zuweilen größeres Wissen auf, als die authentische Person es könnte, deren Replik er sein sollte…
    -    Kelvin! - rührte sich wieder Snaut. Es frappierte mich, daß nur er bei meinen unvorsichtigen Worten aufmuckte. Sartorius schien sie nicht zu fürchten. Sollte das bedeuten, daß sein »Gast« von Natur aus weniger helle war, als der »Gast« Snauts? Eine Sekunde lang stieg vor mir das Bild irgendeines verzwergten Kretins auf, den der gelehrte Herr Doktor Sartorius an seiner Seite habe.
    -    Allerdings, das haben wir bemerkt - antwortete höchstselbiger. - Was nunmehr die Motivation des Erscheinens der F-Gebilde betrifft: der erste, gleichsam natürliche Gedanke wäre der eines an uns durchgeführten Experiments. Als Experiment wäre das jedoch ziemlich… elend. Wenn wir einen Versuch machen, dann lernen wir aus den Ergebnissen, vor allem aus den Fehlern, so daß wir in seine Wiederholungen Verbesserungen einführen … Davon indessen kann hier gar nicht die Rede sein.
    Dieselben F-Gebilde erscheinen von neuem… nicht korrigiert… nicht zusätzlich gewappnet gegen unsere… Bemühungen, sie loszuwerden …
    -    Kurzum, der Prozeß hat keine korrigierende Rückkopplungsschleife, wie Doktor Snaut das formulieren würde - bemerkte ich. - Und was folgt daraus?
    -    Nur soviel, daß das für ein Experiment… Stümperei wäre, wie sie angesichts der Umstände unwahrscheinlich ist. Der Ozean ist… präzis. Das äußert sich unter anderem in
    der zweischichtigen Konstruktion der F-Gebilde. Bis zu einer bestimmten Grenze verhalten sie sich so, wie gegebenenfalls die wirklichen… das wirkliche…
    Er konnte sich nicht herauswursteln.
    -    Die Originale - sagte Snaut schnell ein.
    -    Ja, die Originale. Aber übersteigt einmal die Situation die normalen Möglichkeiten eines durchschnittlichen… Originals, so erfolgt gleichsam eine »Bewußtseinsausschaltung« beim F-Gebilde, und unmittelbar äußert sich andere Tätigkeit, unmenschliche…
    -    Das stimmt - sagte ich - aber auf diese Weise stellen wir nur einen Katalog des Verhaltens dieser… dieser Gebilde zusammen, und nichts weiter. Das ist vollständig unergiebig.
    -    Dessen bin ich nicht so sicher - protestierte Sartorius. Auf einmal verstand ich, wodurch er mich so aufbrachte. Er redete nicht, nein, er hielt eine Rede, ganz wie in einer Institutssitzung. Anders konnte er anscheinend nicht.
    -    Hier kommt das Problem der Individualität mit ins Spiel. Der Ozean ist völlig bar irgendeines Begriffs davon. Das muß so sein. Mir scheint es, werte Kollegen, daß diese für uns zermürbendste, bestürzende Seite des Experiments ihm völlig entgeht, da sie außerhalb der Grenzen seines Begreifens liegt.
    -    Das ist nicht beabsichtigt, denken Sie…? - fragte ich. Diese Behauptung überrumpelte mich ein wenig, aber nach einigem Besinnen gab ich zu, daß das nicht auszuschließen war.
    -    Ja. Ich glaube nicht an Perfidie, Bosheit, den Willen, am treffendsten zu verletzen… wie Kollege Snaut meint.
    -    Nein, menschliche Gefühle unterstelle ich ihm durchaus nicht - ergriff erstmals Snaut das

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