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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Blutkörperchen. Ich verschärfte das Bild, und ohne die Augen von den Okularen zu lösen, schien ich immer tiefer in das silbrig leuchtende Gesichtsfeld hinabzutauchen. Zugleich drehte ich mit der linken Hand die
    Einstellungskurbel am Tisch, und als sich ein einsam wie ein erratischer Block daliegendes Blutkörperchen im Schnittpunkt des schwarzen Fadenkreuzes befand, verstärkte ich die Vergrößerung. Das Objektiv fuhr scheinbar hinab auf die deformierte, in der Mitte eingesunkene Erythrozyte, die schon wie das Rund eines Felsenkraters erschien, mit schwarzen, scharfen Schatten in den Vertiefungen der ringförmigen Umrandung. Diese Umrandung, stachlig vom kristallisierten Anflug der Silberionen, entwich mir über die Grenzen des Mikroskopfeldes hinaus. Trüb, wie durch opalisierendes Wasser gesehen, erschienen die Umrisse halb durcheinandergeschmolzener, gekrümmter Eiweißketten. Als ich gerade eine Verknotung von Eiweißruinen am schwarzen Kreuzungspunkt hatte, schob ich langsam den Vergrößerungshebel weiter, immer weiter, jeden Moment mußte die letzte Grenze dieser Reise nach innen sich zeigen, der verflachte Schatten eines einzigen Moleküls füllte das ganze Bild aus, und jetzt zerwehte er!
    Doch nichts geschah. Ich hätte flimmernde Nebelchen von Atomen sehen müssen, etwas wie gallertiges Zittergras, aber da waren keine. Der Schirm flammte in makellosem Silber. Ich schob den Hebel bis ans Ende. Das Surren schwoll zornig an, aber weiterhin sah ich nichts. Ein wiederholtes Summersignal zeigte mir an, daß die Apparatur überlastet war. Ich blickte noch einmal in die silberne Öde und schaltete den Strom aus.
    Ich blickte zu Harey hin. Sie öffnete eben den Mund zum Gähnen, geschickt machte sie ein Lächeln daraus.
    -    Nun, wie steht es um mich?- fragte sie.
    -    Sehr gut - sagte ich. - Ich denke, daß es… gar nicht besser sein könnte.
    Ich schaute sie immerzu an und spürte wieder dieses Kribbeln in der Unterlippe. Was war da eigentlich geschehen? Was bedeutete das? Dieser Körper, dem Anschein nach so zerbrechlich und zart - in Wahrheit unvernichtbar -, zeigte sich in seinem endgültig letzten Grunde aus nichts zusammengefügt? Ich schlug mit der Faust auf das zylindrische Gehäuse des Mikroskops. Vielleicht ein Defekt? Vielleicht fokussieren die Felder nicht? -Nein, ich wußte, die Apparatur war betriebstüchtig. Alle Stufen war ich hinabgestiegen, zur Zelle, zum Eiweißkonglomerat, zum Molekül, alle sahen genauso aus wie bei Tausenden von Präparaten, die ich gesehen hatte. Aber der letzte Schritt abwärts führte ins Nichts.
    Ich nahm Harey Blut aus einer Ader ab und goß es in den Maßzylinder. Ich teilte es in Portionen und machte mich an die Analyse. Sie kostete mich mehr Zeit, als ich gedacht hatte, ich war etwas aus der Übung gekommen. Die Reaktionen waren normal. Alle. Wenn nicht etwa…
    Ich ließ einen Tropfen konzentrierter Säure auf das rote Perlpünktchen fallen. Es rauchte, der Tropfen wurde grau und überzog sich mit einem Anflug von schmutzigen Schaum. Zerfall. Denaturierung. Weiter, weiter! Ich griff nach einer Eprouvette. Als ich mich wieder zu der vorigen hinwandte, fiel mir fast das dünne Glas aus den Fingern.
    Unter der schmutzigen Schaumschicht ganz unten am Boden der Eprouvette wuchs wieder eine Schicht von dunklem Rot. Von Säure zersetztes Blut erneuerte sich! Das war absurd! Das war unmöglich!
    -    Kris! - hörte ich etwas wie aus weiter Ferne. - Kris! Telefon!
    -    Wie? Ach so, danke.
    Das Telefon summte schon lange, erst jetzt hörte ich das.
    Ich hob den Hörer ab: - Kelvin.
    -    Snaut. Ich habe die Linie umgeschaltet, so daß wir einander alle drei gleichzeitig hören.
    -    Ich begrüße Sie, Herr Doktor Kelvin - ertönte die hohe, näselnde Stimme von Sartorius. Sie klang so, als betrete ihr Inhaber ein gefährlich durchhängendes Podium, argwöhnisch, wachsam und nach außen hin beherrscht.
    -    Meine Verehrung, Herr Doktor - entgegnete ich. Ich hatte Lust, zu lachen, aber ich war nicht sicher, ob ich mir über die Ursachen dieser Heiterkeit klar genug war, um mich ihr überlassen zu können. Über wen hatte ich letzten Endes zu lachen? Ich hielt etwas in den Händen: eine Eprouvette mit Blut. Ich schüttelte sie. Es war schon geronnen. Vielleicht war das von vorhin nur eine Täuschung? Vielleicht hatte ich es mir nur eingebildet?
    -    Ich wollte den Herren Kollegen gewisse Probleme darlegen, und zwar im Zusammenhang mit den…

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