Solaris
nein. Du benimmst dich… anders. Du nimmst mich nicht ernst. Das war ein Traum, das stimmt, aber von mir hast du geträumt. Du hast mich beim Namen genannt. Du hast dich geekelt. Warum! Warum?!
Ich kniete vor ihr nieder, umfing ihre Knie.
- Kind…
- Ich will nicht, daß du so redest. Ich will nicht, hörst du? Ich bin kein Kind. Ich bin…
Sie schluchzte los und fiel mit dem Gesicht aufs Bett. Ich stand auf. Mit leisem Prasseln zog aus den Ventilationsöffnungen
kühle Luft. Mir war kalt. Ich hängte mir den Bademantel über, setzte mich aufs Bett und berührte Hareys Arm.
- Harey, hör zu. Ich sag dir was. Ich sag dir die Wahrheit…
Sie stützte sich langsam mit den Händen hoch, setzte sich auf Ich sah, wie unter der dünnen Haut am Hals der Puls jagte. Mir wurde wieder das Gesicht starr und ich fühlte solche Kälte, als hätte ich im Frost herumgestanden. Mein Kopf war vollständig leer.
- Die Wahrheit? - sagte sie. - Auf dein heiliges Wort?
Ich antwortete nicht gleich, ich mußte erst einen Krampf in der Kehle hinunterzwingen. Das war zwischen uns so ein altes Beschwörungswort. War es gefallen, so hatten wir beide nicht nur nicht mehr zu lügen gewagt, sondern auch nichts zu verschweigen. Es hatte eine Zeit gegeben, da quälten wir einander mit übertriebener Aufrichtigkeit, in der naiven Überzeugung, sie werde uns retten.
- Auf mein heiliges Wort - sagte ich ernst. - Harey…
Sie wartete.
- Du hast dich auch geändert. Alle ändern wir uns. Aber nicht das wollte ich sagen. In der Tat sieht es so aus… wie wenn du aus irgendeinem Grund, den wir beide nicht genau kennen… nicht von mir loskommen könntest. Aber das trifft sich sogar gut, denn ich kann von dir auch nicht…
- Kris!
Ich hob sie auf, wie sie ins Leintuch gewickelt war. Ein Zipfel, feucht von Tränen, ruhte auf meiner Schulter. Ich ging durchs Zimmer und schaukelte Harey. Sie streichelte mir das Gesicht.
- Nein. Du hast dich nicht verändert. Nur ich - flüsterte sie mir ins Ohr. - Mit mir ist irgendwas. Vielleicht das?
Sie schaute auf das schwarze, leere Rechteck, wo die zerschmetterte Tür gewesen war, deren Trümmer ich am Abend in den Lagerraum fortgetragen hatte. - Ich werde eine neue einhängen müssen - dachte ich. Ich setzte Harey aufs Bett.
- Schläfst du überhaupt? - fragte ich, während ich vor ihr stand und die Arme hängen ließ.
- Weiß ich nicht.
- Wieso weißt du das nicht? Denk einmal nach, Liebling.
- Das ist wohl kein richtiger Schlaf. Vielleicht bin ich krank. Ich liege so und denke, und, weißt du…
Sie erzitterte.
- Was? - fragte ich flüsternd, die Stimme hätte mich im Stich lassen können.
- Das sind sehr merkwürdige Gedanken. Ich weiß nicht, woher mir die kommen.
- Zum Beispiel?
Ich dachte: - Ich muß ruhig bleiben, ohne Rücksicht darauf, was ich hören werde, - und ich bereitete mich auf ihre Worte vor wie auf einen starken Schlag.
Sie schüttelte hilflos den Kopf.
- Das ist so irgendwie… ringsherum…
- Ich verstehe nicht…?
- Wie wenn nicht nur in mir, sondern weiter, so irgendwie, ich kann das nicht so sagen. Dafür gibt es keine Worte…
- Das sind sicher Träume - versetzte ich wie beiläufig und atmete auf. - Und jetzt löschen wir das Licht und werden bis morgen früh keinen Kummer haben, und morgen früh werden wir uns, wenn wir Lust kriegen, um einen neuen bemühen. Gut?
Sie streckte die Hand nach dem Schalter aus, Finsternis fiel ein, ich legte mich auf dem ausgekühlten Bettzeug zurecht und spürte Hareys warmen Atem näherkommen.
Ich umarmte sie.
- Fester - flüsterte sie. Und nach langer Zeit: - Kris!
- Was denn?
- Ich liebe dich.
Mir war zum Schreien.
Der Morgen war rot. Die aufgedunsene Sonnenscheibe stand knapp über dem Horizont. Bei der Türschwelle lag ein Brief. Ich riß den Umschlag auf. Harey war im Bad, ich hörte sie summen. Hin und wieder guckte sie heraus, mit nassen Haarsträhnen beklebt. Ich trat ans Fenster und las:
»Kelvin, wir haben uns festgefahren. Sartorius ist für energisches Vorgehen. Er glaubt, es wird ihm gelingen, Neutrino-Strukturen zu destabilisieren. Für die Versuche benötigt er eine bestimmte Menge Plasma, als den Ausgangsbaustoff der F. Er schlägt vor, daß Du auf Erkundung ausziehst und eine bestimmte Menge Plasma in den Behälter faßt. Handle nach eigenem Ermessen, aber teile mir Deinen
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