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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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brauche ich nichts!
    Riesige graue Augen sogen mich ein.
    -    Wie du lügst! - sagte sie ganz leise.
    Ich ließ sie los und stand von den Knien auf. Sie setzte sich auf dem Fußboden hin.
    -    Harey, sag doch, was ich tun soll, damit du mir glaubst, daß ich das sage, was ich denke? Daß es die Wahrheit ist. Das und nichts anderes.
    -    Du kannst nicht die Wahrheit sagen. Ich bin nicht Harey.
    -    Sondern?
    Sie schwieg längere Zeit. Ein paarmal bebte ihr das Kinn, endlich senkte sie den Kopf und flüsterte:
    -    Harey… aber… aber ich weiß, das ist nicht wahr. Nicht mich… hast du drüben geliebt, früher…
    -    Ja - sagte ich. - Was war, das ist vorbei. Das ist tot. Aber dich, hier, dich liebe ich. Verstehst du?
    Sie schüttelte den Kopf.
    -    Du bist gut. Denk nicht, daß ich das alles nicht zu schätzen weiß, was du getan hast.
    Du hast das getan, so gut du nur konntest. Aber da hilft nichts. Als ich vor drei Tagen in der Früh bei deinem Bett saß und wartete, bis du aufwachtest, da wußte ich nichts. Es kommt mir vor, als wäre das sehr, sehr lange her. Ich benahm mich wie nicht recht bei Verstand. Ich hatte so etwas wie so einen Nebel im Kopf. Ich erinnerte mich nicht, was früher und was später war, und ich wunderte mich über nichts, etwa so wie nach einer Narkose oder nach einer langen Krankheit. Und ich dachte sogar, vielleicht bin ich krank gewesen, nur willst du mir das nicht sagen. Aber immer mehr Sachen gaben mir dann zu denken. Du weißt schon, was für Sachen. Dann dämmerte mir schon etwas nach deinem Gespräch dort in der Bibliothek mit diesem, wie heißt er gleich, Snaut. Aber weil du nichts sagen wolltest, stand ich in der Nacht auf und ließ dieses Tonband laufen. Nur dieses eine Mal habe ich gelogen, denn das Gerät habe ich nachher versteckt, Kris. Der gesprochen hat, wie hat der geheißen?
    -    Gibarian.
    -    Ja, Gibarian. Da verstand ich schon alles, wenn ich auch, um die Wahrheit zu sagen, noch immer nichts verstehe. Eins wußte ich nicht, daß ich mich nicht… daß ich nicht zu… daß das so enden muß … ohne Ende. Davon hat er nichts gesagt. Im übrigen hat er es vielleicht gesagt, aber du bist aufgewacht, und ich habe das Bandgerät abgeschaltet. Aber auch so habe ich genug gehört, um zu erfahren, daß ich kein Mensch bin, sondern ein Instrument.
    -    Was du nicht sagst!
    -    Ja. Um deine Reaktionen zu untersuchen, oder so was in dieser Art. Jeder von euch hat so ein, so eine wie mich. Das beruht auf Erinnerungen oder auf Vorstellungen, etwas
    Abgedämpftes. So irgendwie. Im übrigen weißt du das alles besser als ich. Er hat so furchtbare, unwahrscheinliche Sachen gesagt, und wenn nicht alles so gestimmt hätte, dann hätte ich es wohl nicht geglaubt!
    -    Was hat gestimmt?
    -    Na halt daß ich keinen Schlaf brauche und daß ich ständig bei dir sein muß. Gestern früh dachte ich noch, daß du mich haßt, und war deshalb unglücklich. Gott, war ich dumm! Aber sag doch, sag selbst, hätte ich mir das vorstellen können? Er hat ja diese Seinige überhaupt nicht gehaßt, und wie hat er doch von ihr gesprochen! Da verstand ich erst, daß es völlig gleichgültig ist, was ich auch tue, denn ob ich will oder nicht, für dich muß das wie eine Folter sein. Eigentlich noch ärger, denn ein Folterwerkzeug ist tot und unschuldig wie ein Stein, der herunterfallen und jemanden erschlagen kann. Aber daß ein Werkzeug einem Gutes wünschen kann, lieben, das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich wollte dir wenigstens sagen, was da in mir vorging, dann, als ich verstand, als ich dieses Tonband anhörte. Vielleicht könntest du davon wenigstens einen Nutzen haben. Ich versuchte das sogar aufzuschreiben…
    -    Deshalb hast du Licht gemacht? - fragte ich, mit Mühe brachte ich den Laut aus der plötzlich zusammengeschnürten Kehle.
    -    Ja. Aber es kam nichts dabei heraus. Denn ich suchte in mir, weißt du… die anderen, dieses andere, ich war völlig rasend, sag ich dir! Eine Zeitlang kam es mir vor, als hätte ich keinen Körper unter der Haut, als wäre in mir was anderes, als wäre ich nur, nur Oberfläche. Um dich zu betrügen. Verstehst du?
    -    Versteh ich.
    -    Wenn man so stundenlang liegt, in der Nacht, dann kann man mit den Gedanken sehr weit geraten und in sehr seltsame Richtungen, weißt du…
    -    Weiß ich.
    -    Aber ich spürte das Herz, und im übrigen erinnerte ich mich, wie du mein Blut

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