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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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   Aber… aber dort ist längst der Sauerstoff aus! - stammelte ich…
    -    Vielleicht kommt sie ohne Sauerstoff aus. Also, versuchen wir’s?
    -    Snaut… Snaut…
    -    Kelvin… Kelvin… spottete er mir zornig nach. - Überleg doch, was bist du für ein Mensch? Wen willst du beglücken? Erlösen? Dich? Sie? Welche? Die oder die andere?
    Für beide reicht dir schon nicht mehr der Mut? Du siehst selbst, wohin das führt! Ich sage dir zum letzten Mal: das hier, das ist eine außermoralische Situation.
    Auf einmal hörte ich das gleiche Knistern wie zuvor, so, als kratzte jemand mit den Fingernägeln über die Wand. Ich weiß nicht, warum, aber mich umfing etwas wie träge, schlammige Ruhe. Es war, als betrachtete ich diese ganze Situation, ihn, mich und alles aus großer Entfernung durch ein umgekehrtes Fernglas: etwas Kleines, ein bißchen Lächerliches, wenig Wichtiges.
    -    Also gut - sagte ich. - Und was sollte ich deiner Ansicht nach tun? Sie beseitigen? Morgen erscheint genau die gleiche, stimmt’s? Und nochmals? Und täglich so? Wie lange? Wozu? Was habe ich davon? Und du? Sartorius? Die Station?
    -    Nein, erst antworte mir du. Du startest mit ihr und wirst, sagen wir, Zeuge der folgenden Verwandlung. In ein paar Minuten siehst du vor dir…
    -    Nun, was denn? - sagte ich bissig. - Ein Ungeheuer? Einen Dämon, was?
    -    Nein. Die gewöhnlichste, simpelste Agonie. Glaubst du wirklich schon, daß sie unsterblich sind? Ich versichere dir, sie kommen um … Was wirst du dann tun? Zurückkommen… um die Reserve?
    -    Hör auf!!! - donnerte ich und ballte die Faust. Er sah mir zu, nachsichtigen Spott in den zusammengekniffenen Augen.
    -    Ich, meinst du, soll aufhören? Weißt du, an deiner Stelle ließe ich ab von diesem Gespräch. Da mach schon lieber irgendwas anderes, zum Beispiel kannst du mit Ruten den Ozean auspeitschen, als Rache. Worum geht es dir? Also wenn du - Snaut beschrieb mit der Hand eine schelmische Abschiedsgebärde und richtete gleichzeitig den Blick zur Decke empor, wie um irgendeine entschwindende Gestalt dort zu verfolgen - dann wärst du ein Schuft? Und so bist du keiner? Lächeln, wenn du Lust hast, zu brüllen, Freude und Ruhe vortäuschen, wenn du die Finger zerbeißen möchtest, und dann bist du kein Schuft? Und wenn einer hier nichts anderes sein kann? Was dann? Dann tobst du Snaut etwas vor, denn der ist an allem schuld, ja? Na dann bist du noch obendrein ein Idiot, mein Lieber…
    -    Du redest von dir - sagte ich mit gesenktem Kopf. - Ich … liebe sie.
    -    Wen? Deine Erinnerung.
    -    Nein. Sie. Ich habe dir gesagt, was sie tun wollte. So hätte kaum ein…. echter Mensch gehandelt.
    -    Du gibst es ja selbst zu, wenn du sagst…
    -    Laß die Wortklauberei.
    -    Gut. Dann liebt sie dich also. Und du willst sie lieben. Das ist nicht dasselbe.
    -    Du irrst dich.
    -    Tut mir leid, Kelvin, aber du selbst hast deine Intimangelegenheiten zur Sprache gebracht. Du liebst nicht. Du liebst. Sie ist bereit, das Leben dahinzugeben. Du auch. Sehr ergreifend, sehr schön, erhaben, alles, was du nur willst. Aber für das alles ist kein Platz hier. Da ist keiner. Verstehst du? Nein, du willst das nicht verstehen. Durch Zutun von Kräften, über die wir keine Gewalt haben, bist du in einen Ringprozeß verwickelt, und sie ist ein Teil davon. Eine Phase. Ein wiederkehrender Rhythmus. Wäre sie… würdest du von einem Scheusal verfolgt, das alles für dich zu tun bereit wäre, so würdest du keinen Augenblick zögern, es zu beseitigen. Stimmt’s?
    -    Stimmt.
    -    Demnach, demnach ist sie vielleicht gerade deshalb kein solches Scheusal! Das bindet dir die Hände? Darum geht es eben, daß sie dir gebunden sein sollen!
    7. Das ist noch eine Hypothese zu der Million von anderen, drüben in der Bibliothek. Snaut, gib’s auf, sie ist… Nein. Dar über will ich mit dir nicht sprechen.
    -    Gut. Du hast selbst angefangen. Aber denk nur daran, daß sie im Grunde genommen ein Spiegel ist, worin sich ein Teil deines Gehirns spiegelt. Wenn sie großartig ist, dann deshalb, weil deine Erinnerung großartig war. Du hast die Rezeptur geliefert. Ein Ringprozeß, vergiß das nicht!
    -    Also was willst du von mir? Daß ich sie… daß ich sie beseitige? Ich habe dich schon gefragt: Wozu sollte ich das tun? Du hast nicht geantwortet.
    -    Dann antworte ich dir jetzt. Ich habe dich zu diesem Gespräch nicht eingeladen.

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