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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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verzweifelten Kraft, die mir noch geblieben war, dagegen, während er sich mit aller Wucht, die er aufzubringen imstande war, in den Stoß hineinlehnte. Und seine Kräfte schienen unerschöpflich zu sein, die Kräfte eines Giganten, die Kräfte einer seelenlosen Mordmaschine. Ich umklammerte sein Handgelenk mit beiden Händen und schrie, während ich mich dagegenstemmte, weil in meinem rechten Arm etwas zu reißen und zu zerbrechen schien. Aber es war, als stemmte ich mich mit bloßen Händen gegen den Druck einer hydraulischen Presse. Unerbittlich senkte sich das Messer tiefer und tiefer, und es zielte unverwandt auf die Mitte meiner Brust.
    Das also war das Ende. Ich wußte nicht, ob ich lange genug durchgehalten hatte. Ich dachte nicht an Mekka, nicht einmal an Neil. Ich dachte überhaupt nichts. Da war nur dieser undurchdringlich dunkle, spiegelnde Helm über mir, in dem ich nur meinen eigenen undurchdringlich dunklen, spiegelnden Helm sah, und da war die schwarz behandschuhte Hand, die sich mit langsamer, aber unaufhaltsamer Kraft auf mich niedersenkte. Und das Messer, das diese Hand hielt, eine lange, glänzende Klinge. Ich sah Sterne, die sich in dieser Klinge spiegelten, und sah das Rote Meer darin, über dem gerade die Sonne aufging zu einem Tag, der unsichtbare Zerstörung bringen würde, und der seltsam verzerrte Widerschein dieses Sonnenaufgangs wanderte wie ein schmaler, heller Streifen die Messerschneide entlang, vom Heft weg auf die Spitze zu, wobei der Streifen immer kleiner und heller wurde. In dem Augenblick, in dem die Spitze meinen Raumanzug durchstoßen würde, würde sich das Licht genau auf ihr gesammelt haben.
    Plötzlich hörte ich, nach all dem Keuchen und Schreien, wieder Khalids Stimme in meinem Kopfhörer. Sie war heiser, atemlos, zitterte vor Wut.
    »Dschijhad…«
    Damit stieß er zu.
    In einem letzten, verzweifelten Auflehnen gelang es mir nur noch, den Stoß abzulenken, weg von meinem Herzen, doch nicht weit genug. Die Klinge drang in meine rechte Schulter ein, mit einem häßlichen Geräusch wie reißender Stoff.
    Der Schmerz war unglaublich. Wie ein elektrischer Schlag schoß eine Flutwelle von Schmerz durch meinen Körper, heiß, brennend, jenseits jeder Beherrschbarkeit. Ich war nur noch Schmerz, nur noch Schrei, nur noch wildes, selbstzerstörerisches Aufbäumen. Und dann brach der Lärm über mich herein.
    Zuerst ein lautes, hohles Fauchen, das Geräusch von Gas, das unter hohem Druck entweicht. Dann der Alarmton der Anzugsautomatik, laut, ohrenbetäubend laut, ein durchdringender Signalton von markerschütternder Regelmäßigkeit, der laut genug gewesen wäre für einen Flugzeugträger. Ich taumelte, flog frei, stieß mit meinem tauben, kaputten rechten Arm gegen einen Widerstand und krallte mich fest, ganz automatisch. Als ob ich mich dadurch retten könnte. Der Alarmton dröhnte weiter, dröhn, dröhn, dröhn.
    Vor meinen Augen tanzten rote Schleier, und dahinter glaubte ich Khalid zu sehen, ohne Halt durch den Raum schwebend. Ich blinzelte, vertrieb die wogenden Nebel für einen Augenblick: tatsächlich. Er trieb, sich langsam überschlagend, davon, auf die riesige, stahlgrau schimmernde Solarfläche zu.
    Ich preßte die linke Hand auf die Stichwunde, auf das Loch in meinem Anzug, aber es half nichts. Die Luft entwich, schoß als feiner heller Nebel in die unersättliche Leere. Ich konnte dabei zusehen. Ich sah dabei zu, und meine Gedanken wälzten sich mühsam im Kreis wie gestrandete, halbtote Wale. Khalid. Irgendwie hatte ich es geschafft, Khalid in den Raum hinaus zu stoßen. Vielleicht war er unvorsichtig gewesen. Vielleicht hatte mein geschundener Körper im letzten Augenblick noch ungeahnte Kräfte entwickelt. Jedenfalls trieb er jetzt da draußen, mitsamt seinem Messer.
    Und immer noch der Alarm, und das kalte, unheimliche Zischen. Jetzt erst begriff ich, daß das nicht das Geräusch der entweichenden Luft war – die hätte ich nicht gehört –, sondern der aus dem Lebenserhaltungssystem nachströmende Sauerstoff, mit dem die Sicherheitsautomatik des Raumanzugs den Druckabfall auszugleichen versuchte. Vergebens natürlich, denn auch er entwich ins All. Im Inneren meines Helms, unübersehbar über meinen Augen, begann das erste von fünf roten Leuchtelementen alarmierend zu blinken. Das war die Anzeige der verbleibenden Sauerstoffreserve.
    Da war doch etwas gewesen, eine flüchtige Idee. Ach ja. Ich biß die Zähne zusammen und versuchte, meine rechte Hand, diesen

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