Solarstation
verzweifeltes Lachen. »Entschuldigen Sie, Tanaka-san, aber die Greenpeace-Leute sind Träumer. Es geht nicht um eine friedliche oder unfriedliche Welt, es geht um das schlichte Überleben der Menschheit als Art, und wer immer noch nicht gemerkt hat, daß die Methoden von Mahatma Gandhi hier nichts fruchten, der tut mir leid. Wie war das letztes Jahr im Frühsommer? Tausende von friedlichen Demonstranten besetzen ein Schiff im Hafen von Rotterdam, die AMOCO TAN , werden Stunden später ebenso friedlich durch Polizisten von Bord geschafft, so daß das Schiff ungehindert auslaufen kann und dann jenseits der Hoheitsgrenzen seine Ladung – verdünnte, aber hochgiftige Chemieabfälle – ungestört mitten in der toten Nordsee von Bord pumpen kann. Und nun das Gegenbeispiel: ein einzelner Mann – meine Wenigkeit – arbeitet bei einer Tochterfirma der British Petroleum Company, und als er hochgeachtet und gut bezahlt ausscheidet, hat er in den weltweit vernetzten Computersystemen des Unternehmens Auswerteprogramme hinterlassen, die es BP unmöglich machen werden, noch ein einziges neues Erdölvorkommen aufzuspüren. Was über kurz oder lang den Untergang dieser Firma bedeutet.«
Es klang beeindruckend, wie er das erzählte, und ich glaubte ihm jedes Wort. Es war offensichtlich, daß wir diesen Mann bisher sträflich unterschätzt hatten. Wenn er jetzt mit einer Sammelbüchse und Einschreibeformularen herumgegangen wäre, hätte er gute Chancen gehabt, neue Mitglieder zu werben.
»Aber warum die Solarstation, Jayakar?« ächzte Moriyama. »Kein Kernkraftwerk, keine Giftmülldeponie… ausgerechnet die Solarstation – warum?«
»Weil die Solarstation«, erklärte Jayakar mit raschen, harten Worten, die er abfeuerte wie Salven aus einem Maschinengewehr, »ein gefährliches, größenwahnsinniges Projekt ist; ein letzter irrwitziger Versuch, die verfahrene Situation der Menschheit mit rein technischen Mitteln zu retten – ein Versuch, der alles nur noch schlimmer machen wird. Die Solarstation ist nichts weiter als eine neue Manifestation jenes Aberglaubens, der das Heil in technologischen Großprojekten sucht. Und das ist ein gefährlicher Aberglaube, vielleicht der verhängnisvollste überhaupt.«
»Sie sind verrückt.«
Jayakars Gesicht schien beinahe zu leuchten, glänzte von Schweiß und Angriffslust. Das hier waren keine seiner üblichen Witzchen. Das hier war sein heiliger Ernst. »Bitte, wir können auch gern mehr ins Detail gehen. Offenbar ist Ihnen nicht klar, in welch drastischem Maß die Solarstation in die Biosphäre eingreifen kann und dies bereits tut. Haben Sie eine Vorstellung davon, was für Energien hier im Spiel sind? Was diese Energien bedeuten? Da unten bei Hawaii ist nicht einfach nur eine Empfangsstation, dort ist ein ökologisches System mit all seinen vielfältigen Formen. Ich könnte Ihnen Fotos zeigen von Vögeln, die in den Übertragungsstrahl geraten sind und die regelrecht gebraten vom Himmel fielen. Nach jedem unserer Übertragungsversuche werden auffallend viele tote Fische an die Küste gespült. Fische, deren Körper nicht mehr Gift enthält, als heutzutage üblich ist – deren Muskelfasern aber weich und tot sind und bei der kleinsten Berührung zu Brei zerfallen. Und so könnte man immer weitermachen. Niemand hat je untersucht, welche Auswirkungen der Energiestrahl auf die Ozonschicht hat. Niemand hat je gefragt, ob die Luft dadurch chemisch verändert wird. Keinen interessiert der Elektrosmog, der den Strahl begleitet. Keine Fragen, keine Antworten. Nun, wir fragen – aber die Antworten, die wir erhalten, sind absolut unbefriedigend.«
»Schlagworte«, stellte der Kommandant grimmig fest. »Nichts als Schlagworte. Sie enttäuschen mich, Professor Jayakar. Wenn wir wieder auf der Erde sind, werde ich dafür sorgen, daß man Sie zur Rechenschaft zieht.«
Jayakar ließ die Sichtluke los und griff sich mit beiden Händen in den Nacken, um ihn zu massieren. »Kommandant, Sie verstehen immer noch nicht. Dabei ist es so einfach.«
»Dann erklären Sie mir es bitte so, daß ich es auch verstehe«, bat Moriyama gereizt.
»Nun gut.« Jayakar hielt mit seiner Massage inne und faßte den Kommandanten scharf ins Auge. »Welche Leistung kann die Solarfläche der NIPPON maximal erzeugen?«
»Rund ein Gigawatt.«
Jayakar nickte. »Ein Gigawatt. Eintausend Megawatt. Eine Million Kilowatt. Anbei bemerkt kann man die Kraftwerke auf der Erde, die eine vergleichbare Leistung erbringen,
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