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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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sagen.
    »Wie bitte?«
    »Ich weiß, was Khalid vorhat.«
    Sie sahen mich alle an. Ich bot wahrscheinlich keinen besonders eindrucksvollen Anblick, wie ich mich da an die Sichtluke klammerte, durch die zuvor Jayakar geschaut hatte. Vermutlich war ich weiß wie eine Wand. Ich hatte hinausgespäht und etwas entdeckt, das alle Fragen beantwortete und alle Puzzleteile sich zu einem sinnvollen Bild zusammenfügen ließ. Es war etwas, das auch Jay schon hätte sehen können, aber nicht bemerkt hatte. Deswegen zitterte jetzt auch meine Magengrube und nicht seine.
    Ich konnte nur wortlos hinausdeuten, und sie drängten sich alle um das eine Bullauge wie Gymnasiasten um das einzige Schlüsselloch zum Umkleideraum der Mädchen.
    Die Japaner sahen es natürlich fast sofort.
    »Die Fahne!« sagte Tanaka. »Sie ist nicht mehr da.«
    Die japanische Fahne, die seit der Inbetriebnahme der Station an einem weit hinausragenden, dünnen Mast befestigt gewesen war, hing nicht mehr an ihrem Platz. An ihrer Stelle befand sich jetzt ein blutrotes Tuch mit weißen, kunstvoll verschlungenen Schriftzeichen.
    »Was steht auf diesem Tuch?« fragte Moriyama. »Es sieht aus wie Arabisch.«
    »Bismi llahi rachmani rachmini«, zitierte ich, ohne daß ich deswegen hätte hinaussehen müssen. Ich war mit einer Araberin verheiratet gewesen und hatte mir trotzdem nicht mehr als ein paar Brocken dieser schwierigen Sprache angeeignet – diese Worte aber kannte ich.
    »Was heißt das?«
    »Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen… Das ist die sogenannte Basmala, die Formel, mit der jede einzelne Sure des Korans beginnt. Und«, fügte ich hinzu, »es sind die Worte, die auf der Fahne der Dschijhadis stehen.«
    »Tatsächlich!« stieß Jayakar hervor. »Sie haben die Fahne der Dschijhadis gehißt! Das heißt… das kann nur heißen…«
    Ich nickte. Ich dachte an Fernsehbilder, die ich gesehen hatte, von einer großen weißen Stadt mit glänzenden Dächern, die in der flirrenden Hitze der Wüste lag, von ameisengleichen Panzern und Geschützen eingekesselt und von ihren Bewohnern mit Zähnen und Klauen verteidigt. Und ich dachte an einen kleinen schwarzhaarigen Jungen, der einst auf meinen Knien gesessen hatte und der über das Leben Bescheid wissen wollte und der seit Beginn der Belagerung mitten in dieser Stadt lebte, nicht weit von der Kaaba entfernt, dem schlichten, würfelförmigen Heiligtum, das Zentrum und Herz dieser Stadt war.
    »Mekka«, sagte ich tonlos. »Sie wollen Mekka zerstören.«

KAPITEL 26
    »Vor ein paar Wochen kam eine kleine Meldung in den Nachrichten; wahrscheinlich ist sie niemandem außer mir aufgefallen.« Ich holte tief Luft – verbrauchte Luft, die nach Schweiß und Öl stank und sich klebrig und schwer anfühlte in der Lunge. »In der Meldung hieß es, daß Abu Mohammed, der glorreiche Führer der Dschijhadis, der zweite Prophet, gesagt habe, die seit einem Jahr andauernde Belagerung Mekkas sei in Wahrheit eine Prüfung für den Glauben seiner Anhänger, der schließlich durch ein Wunder belohnt werden würde.«
    »Ein Wunder?« Jayakar schien sich zu weigern, das Offensichtliche wahrhaben zu wollen.
    »Ein Wunder, das er zu diesem Zeitpunkt längst inszeniert und in die Wege geleitet haben mußte.« Durch die Luke sah ich hinab auf das Hochland von Mexiko, das die Solarstation gerade überflog. Die untergehende Sonne warf bizarre Schatten über die kahlen Gipfel der westlichen Sierra Madre, und schwarze, zähe Rauchwolken stiegen von den Industriegebieten am Golf von Kalifornien auf. Einhundertfünfter westlicher Längengrad. Ich überschlug unsere Flugbahn im Kopf. »Noch anderthalb Erdumkreisungen, dann werden wir Mekka genau überfliegen. In etwas mehr als zwei Stunden wird das Wunder geschehen, das der große Prophet vorhergesagt hat. Khalid wird dafür sorgen. Er wird die geballte Energie der NIPPON auf Mekka abstrahlen und jedes lebende Wesen darin zu Tode kochen.« Unter anderem meinen Sohn. Alles in mir schien abzusterben bei dieser Vorstellung.
    »Der Strahl wird anfangen zu wandern«, wandte Moriyama ein. »Die Vibrationen werden es unmöglich machen zu zielen…«
    Jayakar schüttelte wie betäubt den Kopf. »Keine Vibrationen. Kein Wandern. Ich habe alle Programmbestandteile entfernt, die zu diesen Fehlern geführt haben. Die Steuerung des Energiestrahls arbeitet einwandfrei.«
    Moriyama schnaubte empört.
    »Was für ein seltsamer Saboteur sind Sie eigentlich, Mister Jayakar?«
    Ich hörte kaum hin. Mir war, als

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