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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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vermisse?« Einen Moment lang mußte ich fast lachen, und es wäre ein absurdes, bitteres Lachen gewesen. Ob ich ihn vermißte. Mein Gott, was für ein erbärmliches Wort für das, was ich empfand, wenn ich an ihn dachte. Ja, ich dachte tatsächlich selten an ihn. Ich dachte selten an ihn, weil sich immer, wenn ich an ihn dachte, ein Abgrund im Inneren meiner Seele auftat, ein alles verzehrender Mahlstrom, eine schwarze, unendlich tiefe Schlucht. Ich dachte selten an ihn, weil dann immer ein Gericht über mich zusammentrat und mich wieder und wieder schuldig sprach dafür, daß ich ihm ein schlechter Vater gewesen war, daß ich als Vater versagt hatte, daß ich ihn in diese feindliche Welt gesetzt und dann allein gelassen hatte. »Ja«, hörte ich mich sagen, »ich vermisse ihn sehr.« Ich hatte ihn seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Bei meinem letzten Besuch in Saudi-Arabien war er sieben Jahre alt gewesen, dann hatte die arabische Regierung ein Einreiseverbot für Amerikaner verhängt, und schließlich war Krieg ausgebrochen.
    Vermißte ich ihn? Ich kannte ihn doch kaum noch. Und er kannte mich kaum noch. Da war nur etwas in meinem Herzen, das weh tat und das ich trotzdem für Liebe hielt.
    Yoshiko streckte die Hand aus, und ich reichte ihr den Brief. Sie faltete das Blatt mit ihren grazilen Bewegungen auf und las, was Neil geschrieben hatte in der krakeligen Handschrift eines Jungen, der seit Jahren hauptsächlich Arabisch schrieb. Als sie das Ende erreicht hatte, sah sie mich an, und ihre Augen glänzten feucht, wie von Tränen.
    »Er liebt dich sehr«, sagte sie mit belegter Stimme.
    Sie gab mir den Brief zurück, und als ich ihn wieder an mich nahm, begriff ich, daß zwischen uns immer nur Begehren gewesen war, ein Spiel zweier Erwachsener, aber nichts weiter. Ich war für sie der gaijin gewesen, den sie sich gönnte, und sie für mich die schöne, begehrenswerte Asiatin mit dem traumhaften Körper, eine Eroberung, auf die ein Mann stolz sein konnte. Aber wir hatten gerade einen Blick in unsere wahren Gesichter erhascht, und damit war das Spiel vorbei.
    Im Grunde wußte ich nichts über Yoshiko. Sie hatte von ihrem Vater erzählt, der streng und aufbrausend und auf eine Weise den alten Sitten verhaftet war, die im modernen Japan fast grotesk wirkte, aber ich war nur froh gewesen, daß sie sich nach Freiheit sehnte und nicht nach Romantik. Sie konnte von Quasaren, Pulsaren und Protogalaxien schwärmen, aber ich hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Ich wußte, daß sie drei wesentlich ältere Brüder hatte, die Ingenieure und einflußreiche Bankiers waren, aber ich kannte nicht einmal ihre Namen. Ich steckte Neils Brief zurück in meine Tasche und fragte mich, ob ich überhaupt schon einmal eine Frau wirklich geliebt hatte. Im Augenblick kam es mir so vor, als ob Neil der einzige Mensch auf der Welt war, den ich liebte.
    Tanaka und Kim hatten ihr Gespräch beendet, und eine Weile war es still in der Kapsel bis auf das asthmatische Surren der Luftversorgung.
    Moriyama öffnete die Augen wieder, und sein Blick kreuzte sich mit dem von Jayakar, der sich gerade von seiner Sichtluke abgewandt hatte und uns alle nachdenklich betrachtete.
    »Wie denken Sie inzwischen über meine Schuld, Kommandant?« fragte er halb spöttisch, halb ernst.
    Moriyama wölbte fragend die Augenbrauen und räusperte sich.
    »Ich habe Ihnen bereits zu erklären versucht, wie leid es mir tut, daß ich Sie ungerechtfertigt verdächtigt habe.«
    Jayakar zögerte, dann schien er sich einen Ruck zu geben. »Ich muß Ihnen etwas gestehen«, sagte er mit einem schiefen Grinsen.
    Der Kopf des Kommandanten ruckte verblüfft nach vorn. »Sie müssen mir – was?!«
    »Ihr Verdacht gegen mich«, bekannte Jayakar unbehaglich, »war nicht gänzlich ungerechtfertigt.«
    »Können Sie sich etwas deutlicher ausdrücken, Professor?« fragte Moriyama gereizt.
    Jayakar neigte den Kopf zur Seite. »Sie hatten unrecht, als Sie mich des Mordes an Iwabuchi verdächtigten«, erklärte er. »Aber Sie hatten recht, als Sie mich verdächtigten, der Saboteur zu sein. Ich war es tatsächlich.«

KAPITEL 25
    Es war eng und stickig in der beklemmenden Röhre des Piratenraumschiffes, und man fror und schwitzte gleichzeitig und hatte dabei das Gefühl, dicht vor einem Schreikrampf zu sein. Wir waren wahrscheinlich richtiggehend froh über die Ablenkung, als wir alle den Professor aus Cambridge, Großbritannien, anstarren konnten, der sich an dem roh eingeschweißten

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