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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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buchstäblich an den Fingern abzählen. Können Sie sich vorstellen, Moriyama-san, was passiert, wenn ein Energiestrahl mit einer Leistung von annähernd einem Gigawatt nicht auf einem dafür vorbereiteten Empfängergitter auftrifft, sondern statt dessen munter über Land und Meer wandert?«
    »Es wäre eine Katastrophe, das weiß ich auch«, versetzte Moriyama ärgerlich. »Damit das nicht passiert, gibt es vielfach gestaffelte Schutzmechanismen, die den Strahl bei der kleinsten Abweichung einfach abschalten.«
    »Ah ja«, nickte Jay. Und nach einer Weile fuhr er fort: »Das setzt voraus, daß sich fachkundiges und verantwortungsvolles Bedienungspersonal an Bord der Solarstation aufhält. Wie wir aber wissen, ist das gegenwärtig nicht der Fall…«
    Ein Ausdruck jähen Begreifens tauchte in Moriyamas Gesicht auf. Seine Augen wurden größer und größer, während er den Mathematiker mit wachsendem Entsetzen anstarrte.
    »Sie meinen doch nicht etwa, daß Khalid…«
    »Allerdings meine ich das«, sagte Jayakar. »Was glauben Sie, aus welchem Grund er Professor Yamamoto entführt hat? Wozu er Tanaka und Kim verhört hat? Jemand wie Khalid braucht doch nicht die Hilfe eines alten Professors, um eine Lösegeldforderung zu stellen. Jemand wie Khalid ist doch nicht auf den Rat von zwei Ingenieuren angewiesen, um eine Regierung zu erpressen. Ja, er hat uns eine Menge wilder Geschichten von Lösegeld und Milliarden Dollar in Gold erzählt, aber ich bin überzeugt, daß das alles gelogen war. In Wirklichkeit weiß Khalid genau, daß die Solarstation, wenn er alle Sicherheitsmaßnahmen ausschaltet, sich in eine monströse, unglaublich gefährliche Waffe verwandelt. Und diese Waffe will er benutzen, darauf wette ich meinen rechten Arm.«
    »Sonna bakana!« Tanaka verzog abfällig das Gesicht.
    Moriyama schüttelte ganz unmerklich den Kopf, als bringe er zu mehr die Kraft nicht mehr auf. »Nein, Tanaka-san, er hat recht. Es wäre möglich. Er könnte die Sicherungen abschalten, und dann würde die Solarstation einen konzentrierten Mikrowellenstrahl aussenden, wohin auch immer er ihn richten würde, eine Million mal stärker als ein Mikrowellenherd.« Sein Atem ging plötzlich schwer. »Das wäre… verheerend.«
    »Was würde passieren?« wollte Yoshiko wissen. Ihre Stimme klang erstickt.
    »Genau kann ich es Ihnen nicht sagen, weil es noch nie ausprobiert worden ist«, erklärte Jayakar, »aber wenn Sie sich in Erinnerung rufen, was in einem normalen Mikrowellenherd passiert, dann können Sie es sich ungefähr vorstellen. Die NIPPON sendet ihre Energie mit prinzipiell genau den gleichen Mikrowellen, nur eine Million mal stärker. Selbst wenn man die Übertragungsverluste mit einrechnet, selbst wenn man berücksichtigt, daß der Strahl, wenn er auf die Erde auftrifft, eine Querschnittsfläche von einem Quadratkilometer hat, ist er immer noch absolut tödlich. Ein Mensch, der in den Bereich des Strahls käme, würde in kürzester Zeit sterben, weil das Wasser in seinem Körper explosionsartig anfangen würde zu kochen. Es wäre ein unsichtbarer, tödlicher Strahlenfinger, der unaufhaltsam und unablässig über Land und Meere streichen könnte und der eine grauenhafte Spur der Verwüstung in die Erde brennen würde.«
    »Und Sie glauben wirklich, daß Khalid das vorhat?« fragte Yoshiko mit weit aufgerissenen Augen. »Warum?«
    »Weil er«, meinte der Mathematiker freudlos, »die Rolle des geldgierigen Erpressers einfach unglaubwürdig spielt.«
    »Finden Sie?«
    »Ja. Erst tischt er uns diese Idee auf, ein Shuttle mit einer Ladung Gold kommen zu lassen, und dann unternimmt er plötzlich alle Anstrengungen, normalen Stationsbetrieb vorzutäuschen – anstatt sein Ultimatum so schnell wie möglich hinauszuposaunen. Warum? Da paßt nichts zusammen. Sein Verhalten erscheint unsinnig, solange man davon ausgeht, daß er Lösegeld erpressen will.«
    »Aber was hat er davon?« überlegte Moriyama laut. »Was hat er davon, irgend jemand anzugreifen?«
    »Darüber bin ich mir auch noch nicht im klaren«, gab Jayakar zu. »Ich habe keine Idee, wen er angreifen können wollte. Sicher ist nur, daß es jeder beliebige Ort auf der Erde sein kann – da die Solarstation sich auf einer Bahn über die Pole bewegt und sich die Erde sozusagen unter uns weiterdreht, wir also bekanntlich innerhalb von zwei Tagen jeden Fleck Erde einmal überflogen haben. Die Auswahl ist also wahrhaftig groß.«
    »Ich weiß, was er vorhat«, hörte ich mich

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