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Soldner

Soldner

Titel: Soldner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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Todeskandidatin. Und was werden meine Häscher wohl noch alles mit mir machen, bevor sie mich köpfen? Da sie völlig in diese morbiden Gedanken versunken war, übersah sie Kovok-mah in seinem Kampfanzug. Vielleicht war auch er von finsteren Gedanken beseelt, denn er grüßte sie nicht.
    Die anderen Frauen gingen ihrer Arbeit schnell nach. Einige schienen darauf aus zu sein, sich mit den Männern zu treffen. Der Rest wirkte so, als hätte er sich mit seinem Schicksal abgefunden. Dar trödelte herum; sie wollte sich vor dem Unausweichlichen drücken. Je lärmender die Geräusche im Lager wurden, umso weniger bedrohlich erschienen ihr die Orks. Irgendwie kam ihr dieser Lagerplatz wie eine Zuflucht vor. Menschen kommen nur ungern hierher. Ihr fiel ein, dass die Söldner sich nicht mal getraut hatten, den Hügel zu betreten, um ihren Kameraden zu retten.
    Obwohl Dar sich mit dem Auftischen so viel Zeit ließ wie möglich, war ihre Arbeit irgendwann beendet. Zögernd und ängstlich eilte sie zum Badezelt, um sich umzuziehen und zu Murdant Kol zu gehen. Sie hatte noch immer keinen Beschluss gefasst, was sie ihm sagen wollte. Der Lärm der Zechenden wurde lauter, je dunkler das Zwielicht wurde, und machte die Aussicht auf das, was ihr bevorstand, noch unmittelbarer und unheimlicher.

    Auf dem Weg zum Badezelt kam sie an einer Reihe jener Unterkünfte vorbei, die den Orks als Zelte gedient hatten. Aufgerollt und mit Kordeln verschnürt glichen sie zylinderförmigen Heuballen, die ausnahmslos höher waren als ein Mensch und mehrere Handflächen breit.
    Als Dar sie sah, blieb sie stehen. Der Haufen lag noch innerhalb der kreisförmigen Astmarkierung – auf Boden, den zu betreten Menschen sich fürchteten. Ihr wurde klar, dass er ein ausgezeichnetes Versteck abgab.
    Was passiert wohl, wenn Kol mich nicht finden kann? Dar malte sich alle Möglichkeiten aus, doch keine war so scheußlich wie die, die sie heute Abend erwartete. Ich schiebe die Dinge nur auf. Und das bedeutete nur, dass sie eine Nacht länger unbelästigt blieb. Eine Nacht des Friedens, dachte sie.
    Sie dachte nach, umkreiste den Graszelthaufen, bis sie aus dem Blickfeld der Orks verschwand. Es wurde dunkel. Als sie sich zwischen die Zylinder schob, hoffte sie, dass niemand im Lager sie beobachtete. Obwohl die Bündel wie Strohballen aussahen, waren sie nicht annähernd so weich. Wenn man zwischen ihnen lag, fühlte man sich wie in einem Holzhaufen. Trotzdem zog Dar nicht in Erwägung, ihr Lager wieder zu verlassen. Sie wartete ängstlich ab, ob jemand sie beobachtet hatte. Doch da niemand kam, entspannte sie sich allmählich. Denk nicht an morgen. Zumindest heute Nacht wird mich kein Mann kriegen.
     
    Ein Klagelaut bahnte sich einen Weg in Dars Traum und weckte sie auf. Es war eine einzelne Stimme. Sie war tief und sang ein Lied. Dar verstand nur »Muth’la«, doch was den heiligen Ernst des Gesangs anbetraf, gab es keine Zweifel. Das Lager war still; die einzigen anderen Geräusche bildeten das Knistern und Knacken eines Lagerfeuers. Es schien sehr groß
zu sein, denn ein Teil seines Lichts beschien sogar den Ort, an dem Dar sich versteckt hielt. Eine zweite Stimme fiel in den Gesang der ersten ein. Sie klang ebenso traurig. Dann sang ein dritter Ork. Bald fielen auch die anderen ein, bis die Luft vor Stimmen vibrierte, die Schlaf unmöglich machten.
    Es muss das Todeslied sein, das Taren erwähnt hat, dachte Dar. Sie verstand den Text zwar nicht, doch die Melodie rührte sie an. Das Lied war rein und urtümlich, wie das Klagen eines Kindes oder das verlorene Geheul eines Wolfes in der Nacht. Kinder riefen in der Dunkelheit nach Muth’la. Dar spürte ihre Einsamkeit und ihr Sehnen. Die Stimmen beschworen Visionen von Geistern herauf, die sich vom Leben verabschiedeten, die die Wärme und das Licht für immer hinter sich ließen. Wenn sie die Worte verstanden hätte, hätten sie ihr vielleicht Trost gespendet. Doch so fühlte sie sich nur verzweifelt und völlig allein.
    Das Lied wurde nach und nach leiser, bis nur noch eine einzelne Stimme im Finstern Echos warf. Als sie erstarb, war es vollständig ruhig. Dar weinte sich leise schluchzend in den Schlaf.
     
    Eine Hand packte Dars Knöchel, riss sie aus dem Schlaf und zerrte sie aus ihrem Versteck. Sie erspähte den Ork, der sie mit dem Kopf nach unten baumeln ließ, nur kurz, dann rutschte ihr das Gewand über den Kopf und blockierte ihr Blickfeld. Ihr Häscher fing wütend auf Orkisch an zu schreien, wobei

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