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Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)

Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)

Titel: Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Faras
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schließlich, was sie gesucht hatte. Inmitten der tosenden Wellen und regnenden Gischt auf einem niedrigen Felsen stand jemand. Ein Mensch ganz offensichtlich, auch wenn Ninive keine Details erkennen konnte. Die Person machte mit ihren Armen langsame, kreisende Bewegungen, als richtete sie ihre Gesten an die anrauschenden Wellen. Doch dann hielt die Person plötzlich inne und richtete beide ausgestreckten Arme auf die gegenüberliegende Buchtseite. Ninive fokussierte sofort auf die Silhouette des Aéroport Camaret, der am oberen Ende eines steilen Küstenabschnitts aufragte. Etwas bewegte sich dort. Ninive versuchte scharf zu stellen.
    Und dann gab es eine erneute Erschütterung des Zuges. Stärker als in der vorangegangenen Nacht. Lilian warf einen Blick auf die übrigen Mitreisenden im Speisewagen, die sich abrupt vom Anblick des Meeres losrissen. Stimmengewirr füllte sofort den Raum und Lilian stellte beunruhigt fest, dass der Zug dieses Mal an Fahrt verlor. Sie wandte sich wieder Ninive zu und sprang erschrocken auf. Die blonde Frau war zu Boden gefallen – vermutlich durch die Erschütterung – und lag dort in eigenartig verdrehter Haltung, die Glieder bewegungslos, schwer atmend und die Stirn auf den Boden des Speisewagens gepresst.
    „Hey, Meds!“, rief Lilian in Richtung der anderen Mitreisenden, unter denen sie auch Mitglieder des Sanitätertrupps vermutete, „wir haben hier einen Notfall!“
    Sie kniete sich neben Ninive und drehte sie behutsam auf den Rücken. Ihre Haut fühlte sich kühl und schweißnass an, ihre Finger waren kalkweiß und blutleer. Ninive stöhnte auf und ihre Augenlider flatterten, bevor sie sie einen Spalt aufmachte.
    „Geht es dir gut?“ Lilian warf einen Blick zu den Mitreisenden, doch diese waren durch die Erschütterung des Zuges, der mittlerweile zum Stillstand gekommen war, so abgelenkt, dass keiner ihren Hilferuf gehört hatte.
    „Leg mir etwas über die Augen, bitte“, Ninives Stimme klang schwerfällig. Lilian sah sich um und griff nach einer großen Stoffserviette, mit der sie Ninives Augen abdeckte. Diese atmete tief durch.
    „Danke.“ Die Stimme war noch immer schwerfällig, doch klang sie nun etwas ruhiger. Lilian atmete auf.
    „Kann ich noch etwas für dich tun?“
    „Meine Arme … und Beine … sind wie eingeschlafen, ich …“ Ninive brach ab. Lilian wartete eine Sekunde ab, dann griff sie nach Ninives Arm und begann damit, das Gefühl und das Blut zurück in die Gliedmaßen zu massieren. Zumindest hoffte sie das.

06 | TECHNISCHER DEFEKT
     
    Als Ninive wieder zu sich kam, lag sie in einem Bett. Obwohl sie sich schwach und noch etwas benommen fühlte, erkannte sie sofort, dass sie nicht in ihrem Abteil war. Zwar sahen die meisten Abteile im Zug gleich aus, hatten die identische Einrichtung, dieselbe Anordnung von Mobiliar und spärlicher Dekoration, doch in ihrem Abteil lagerten keine schweren Waffen. Sie stützte sich mit etwas Mühe auf ihre Ellenbogen und betrachtete die Umgebung. Die Vorhänge vor den Fenstern waren zugezogen, wofür sie sehr dankbar war, denn ihre Augen brannten noch immer. Die Tür zum Bad war einen Spalt geöffnet und sie hörte, wie ein Wasserhahn abgestellt wurde. Kurz darauf trat Lilian durch die Tür und an ihr Bett.
    „Ich würde ja fragen, wie es dir geht, aber wir haben nicht die Zeit dafür … was hast du gesehen?“, fragte Lilian und setzte sich auf die Kante des Bettes.
    „Wieso? Was ist passiert? Warum … warum fahren wir nicht mehr? Sind wir schon angekommen? Wie lange war ich weg?“ Ninive spürte den Anflug eines Schwindelgefühls und ließ sich auf das Bett zurücksinken.
    „Ich gebe dir die Kurzfassung, wenn du mir dann deine Informationen gibst. Und dann schläfst du, wir brauchen dich vielleicht später einsatzbereit. Details müssen warten.“
    „Gut … ich habe Gestalten gesehen, am Aéroport“, begann Ninive und rieb sich die Schläfen, „es war nur ein kurzer Augenblick, bevor ich … kollabiert bin.“
    „Was für Gestalten hast du gesehen? Konntest du sie erkennen?“
    „Nein, keine Details, ich habe auf etwas anderes geachtet und …“, Ninive brach ab. Sie dachte an die Gestalt auf den Felsen, die ihren Blick erst auf den Aéroport gelenkt hatte. Wie glaubwürdig war diese Geschichte wohl? Und vielleicht hatte sie sich auch getäuscht unter dem Einfluss des nie zuvor gesehenen Meeres.
    „Ja, ein gewaltiges Schauspiel“, bemerkte Lilian, als würde sie auf Ninives Gedanken antworten,

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