Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
»urspanischen« Stierkampf abhold. Dazu kommt, dass der Fußball (ich erwähne nur den FC Barcelona und Real Madrid, beide die Königstiger oder Löwen oder Stiere des Weltfußballs) die Tauromaquia aus der Gunst der Fans verdrängt hat. Aus »Afficionados« sind längst Barca-Fans und Anhänger der »Königlichen« (Madrid) geworden.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle, auch in einem Witz, des Stierkampfs gedenken.
Wenn man also weiß, dass Hadrian leicht mit hundert Löwen fertig wurde, dann ist der Stierkampf, der ein ritterliches Spiel Mann gegen Tier sein soll, der durch den »Matador« nach einem strengen Ritual zum Tod des Tieres führt, eigentlich auch dazu gedacht, dass der Stier keine Chancengleichheit gegen den Stierkämpfer hat. Wirklich nicht! Es ist ja auch nicht so, dass die Zuchtrinder in Argentinien oder in Nordamerika gegen die Cowboys und im Süden gegen die Gauchos irgendeine Chance hätten. Tiere sind dazu da, gefressen zu werden. Auch beim Stierkampf.
Um den Stierkampf ranken sich trotzdem lauter melancholische Mythen und Legenden, die sich auch in der gastronomischen Praxis niederschlagen. So wie früher in barbarischen Zeiten der Sieger das Herz des Feindes zu verspeisen pflegte (die Belege verlieren sich in vorzeitlichem Dunkel), so gab es in der Tat auf der Speisekarte von Restaurants, die nahe bei Stierkampfarenen lagen, als Spezialität und Rarität Stierhoden, denen man, wie kann es anders sein, eine magische Kraft und einen magischen Einfluss auf die Manneskraft zuschrieb – eine Art vorsintflutliches Viagra oder auch eine Art Drachenblut, in dem Siegfried zumindest gebadet hat. Aber mythologischer Scherz beiseite und Witz herbei.
In einem Restaurant bestellt ein Gast nach einer Corrida Stierhoden. Als er sie serviert bekommt und der Ober die Haube hebt, ist der Gast erstaunt über die Winzigkeit des vorliegenden Gerichts. Er schaut den Ober fragend an, und der zuckt bedauernd die Achseln:
»Nicht immer gewinnt der Torero, mein Herr!«
Mir scheint das ein schönes Pendant zu der Geschichte, dass null Löwen schon eine beachtliche Menge darstellen. »No siempre gana el torero.« Oder auch: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.
DAS TIER MIT ZWEI RÜCKEN
In Shakespeares Othello findet sich das »Tier mit zwei Rücken«, es ist ein Sprachbild für die sexuelle Vereinigung, vor allem wenn sie nicht durch die Ehe »geheiligt« ist, also tierische Lust bleibt. So das christlich-abendländische Verständnis, das Jago mit dem Tiervergleich herausfordert. Othello treibt es mit Desdemona – »unzüchtig«, wie alle, auch ihr Vater, meinen, denn von der heimlichen Hochzeit weiß niemand –, und Jago brüllt es mit Rodrigo durch die Gassen des nächtlichen Venedig, um den venezianischen Senator aufzuscheuchen. »Ein alter schwarzer Schafbock bespringt Euer weißes Lämmchen!« Es ist noch dazu ein Schwarzer, ein Mohr, also ruft Jago dem Vater zu: »Ihr wollt einen Berberhengst über Eure Tochter kommen lassen; Ihr wollt Enkel, die Euch anwiehern, wollt Rennpferde zu Vettern und Zelter zu Neffen haben? … Ich bin einer, Herr«, ruft Jago laut die Schande in die venezianische Nacht, dem Vater von unten hinauf zum Balkon zu, »der Euch zu melden kommt, daß Eure Tochter und der Mohr jetzt dabei sind, das Tier mit zwei Rücken zu machen.« Eine geile Bestie also, gekuppelt aus Schwarz und Weiß noch dazu!
Die Sache geht gut aus. Am Anfang. Umso schlimmer das Drama am Ende. Der Schwarze ist aus königlichem Geblüt, er muss als Feldherr für Venedig gleich nach Zypern, um für den Stadtstaat zu siegen, und vor dem Dogen von Venedig und dem zornbebenden Vater schildert er, dass alles mit gesittet rechten Dingen zuging. Nicht durch Geilheit oder Hexenkunst und Zaubertrank hat er sich Desdemona ins Bett »gehext«, sondern durch anrührende Erzählungen ihr Herz gewonnen – und sie, wichtig und entscheidend, auch geheiratet. Nix mehr von Tier im Bett! Das soll erst der böse Jago später in Zypern in Othello wachrufen, zur bösen mörderischen Eifersucht erwecken.
In den Niederungen des Witzes geht es zwar anders zu als in der hohen Tragödie. Aber auch da soll man den Kindern bei der Erziehung nichts niedrig Tierisches zur Aufklärung vorsetzen. Von Bienen und Schmetterlingen soll schönstenfalls die Rede sein, um die Heranwachsenden über die Liebe aufzuklären. Noch heute gibt es bei Verliebten jedenfalls im Kitsch und im Schlager die verblödende Redensart von den
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