Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
daran, um sicherzugehen, dass die Haken halten würden.
»Rauf damit, Jungs«, schrie er.
Die Männer im Baum zogen an den Seilen und die Leichen wurden am Kiefer hochgehievt – wie die Ausbeute eines Fischzugs am Kai, wie lauter Speer- oder große Thunfische, dachte Bond.
»Stop!«, brüllte Breed, als die Toten zehn Zentimeter über dem Boden schwebten. »Macht sie dort fest.«
Die Seile wurden festgebunden, und die Leichen baumelten sanft schaukelnd von den Ästen herab. Bond hatte früher schon Lynchopfer gesehen, aber diese Körper wirkten anders, auf besondere Weise entmenschlicht durch die Haken und den gewaltsam aufgerissenen Kiefer und die brutale Überdehnung des Halses, auf dem das gesamte Gewicht lastete. Nun erinnerten sie Bond an gespenstische Rinderhälften im Kühlraum eines Metzgers. Die schlaff herabhängenden Arme und Beine wirkten wegen der unnatürlich verdrehten Köpfe besonders obszön.
Breed betrachtete sein Werk mit einem grausam zufriedenen Lächeln.
»Ein guter Fang«, sagte er. »Je mehr, desto besser. Einer reicht nicht, man braucht eine ganze Traube. Einmal habe ich mehr als dreißig geschafft. Das war vielleicht – «
»Warum haben Sie das getan?«, unterbrach ihn Bond.
»Weil die Zanzaris ganz kirre werden, wenn sie das sehen«, sagte Breed fröhlich. Dann senkte er die Stimme: »Ich lasse sie so aufgeknüpft überall im Wald zurück. Das jagt ihren Waffenbrüdern eine Scheißangst ein – böser Juju.«
»Wo haben Sie diesen kleinen Trick her?« Bond ließ sich seinen Ekel nicht anmerken.
»Matabeleland, 1966. Dort habe ich jeden Terroristen von der ZIPRA , den ich erwischen konnte, so aufgefädelt.« Breed grinste. »Wie heißt es doch gleich auf Französisch? Pour encourager les autres .«
Bond verspürte Brechreiz. Er wandte sich von den baumelnden Leichen ab und ging zu Sunday, dem der Anblick offenbar auch an die Nieren ging.
»Macht er das immer so?«, fragte Bond seinen Begleiter.
»Ja. Es macht ihm viel zu viel Spaß.«
»Mir nicht«, sagte Bond. »Es ist abscheulich.«
»Bin völlig Ihrer Meinung, Sah. Das sind auch nur Soldaten, genau wie unsere«, erwiderte Sunday.
Bond warf einen Blick auf Breed, der die Dahumer jetzt zu einer recht ungeordneten, rund zweihundert Mann starken Kolonne zusammentrieb. Ihr Sieg hatte den Soldaten neuen Auftrieb verliehen, und sie verfügten über ein bunt gemischtes Arsenal – AK-47 , Selbstladegewehre und uralte Lee-Enfield-Repetierbüchsen aus dem Zweiten Weltkrieg. An der Hüfte trugen alle Macheten, in einer Lederscheide oder unter den Gürtel geschoben. Die wild zusammengewürfelten Uniformen hatten eines gemeinsam: die rot-weiß-schwarze Flagge von Dahum als Aufnäher an der rechten Schulter.
»Bringt ihn her«, brüllte Breed. Hinter einer Hüttenruine tauchte ein Medizinmann auf. Bond fiel kein anderer Ausdruck ein: Sein Gesicht war weiß bemalt, mit grellgrünen Ringen um die Augen. Um Hals und Handgelenke waren Unmengen von Muscheln und Perlen gewickelt, die laut rasselten, als er sich ihnen halb tänzelnd, halb schlurfend näherte. Ansonsten war er nur mit einem schweren, knöchellangen Grasrock bekleidet und trug eine Kalebasse sowie einen langen Fliegenwedel aus Rosshaar. Schlurfend schritt er die Kolonne in beide Richtungen ab, trank aus der Kalebasse, sprühte die Flüssigkeit durch die zusammengebissenen Zähne den gebannt stillstehenden Männern ins Gesicht und schnalzte ihnen mit dem Fliegenwedel gegen Brust und Lenden. Das Ganze begleitete er mit einem leisen, eintönigen Singsang. Nachdem er alle besprüht und berührt hatte, schrie er dreimal schrill auf, trat einen Schritt zurück, segnete die Soldaten mit einer eigentümlichen Geste und verschwand wieder hinter der Ruine.
»Zieh mit ihnen los, Dawie«, rief Breed einem anderen weißen Söldner zu. Die Männer drehten sich um, stimmten ein Marschlied an und liefen aus dem Dorf, machten Jagd auf die geflüchteten Zanzari-Soldaten, die sich in Sicherheit bringen wollten.
Breed feuerte sie lauthals an. Dann sagte er zu Bond: »Ich liebe das«, zog eine Schachtel Boomslangs hervor und bot sie ihm an. Sie steckten sich beide eine an.
»Nette kleine Show, was?«, sagte Breed. »Dieser Fetischpriester ist tausend Mann wert. Ohne seinen Segen ziehen die nicht in den Kampf.«
»Was soll der Hokuspokus?«, fragte Bond.
»Ganz einfach – er macht sie unsterblich. Sollten sie heute fallen, führen sie den Kampf als Wiedergänger fort. Man kann sie zwar nicht
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