Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
Fahrwerk und der schlanke, aerodynamisch geschwungene Rumpf verliehen ihnen eine besondere Schönheit. Dieses Modell hatte schon bessere Tage gesehen, der Lack war stellenweise ausgebessert und blasig, das Logo der Fluggesellschaft fehlte, und so gab es keinerlei Hinweis darauf, wo oder von wem Linck es gechartert haben könnte. Es wurden Bogenlichter eingeschaltet, dann preschten die Soldaten und Lastwagen vor, um die Fracht auszuladen.
Während Bond gebannt beobachtete, wie das Flugzeug binnen Minuten geleert wurde, bei noch laufenden Propellern, arbeitete sein Verstand auf Hochtouren. Er sah Kartons voller Munition, Mörser, Bazookas, schwere Maschinengewehre, Lebensmittel, Milchpulver, kistenweise Whisky und Gin, Medikamente, Ersatzreifen und sogar Hausrat – Klimaanlagen, Edelstahlspülen, ein paar Couchtische. Alles wanderte von Hand zu Hand innerhalb der Soldatenkette, die von den Frachttüren zu den wartenden Lastwagen reichte. Kaum beladen, brausten die Fahrzeuge in der Dunkelheit davon. Als die Fracht schon komplett entladen war, kam Kobus Breed aus einem der Gebäude gerannt und stieg die Gangway hinauf, um jemandem im Innern ein kleines Päckchen zu überreichen. Danach wurden die Türen geschlossen, Breed stieg wieder hinunter und die Gangway wurde weggerollt. Es war also kein reiner Einbahnverkehr. Bond sah Breed nun mit Linck sprechen – wie zwei alte Bekannte. Linck klopfte ihm auf die Schulter, dann eilte Breed davon.
»Die Flugzeuge kommen jede Nacht zwei-, drei-, viermal«, erklärte Sunday.
»Und woher?« Bond wandte sich Sunday zu.
»Dahomey, Elfenbeinküste, Mali – das lässt sich nicht so genau sagen.«
Bond behielt Lincks hohe Gestalt im Blick, während die Super Constellation mit heulenden Motoren wendete und die Rollbahn ansteuerte. Sie war höchstens eine Viertelstunde am Boden gewesen. Linck winkte dem Flugzeug überschwänglich hinterher, als nähme er Abschied von lieben Verwandten.
»Mr Linck hat alles unter Kontrolle«, sagte Sunday.
Die Wright-Sternmotoren beschleunigten dröhnend, die nun leere Super Constellation raste inmitten einer blaugetönten Staubwolke über die Rollbahn von Janjaville und hob in den Nachthimmel ab. Die Landescheinwerfer wurden ausgeschaltet. Jetzt war nur noch das leiser werdende Brummen der Triebwerke zu hören, während die Maschine ihre Reiseflughöhe erreichte. Bond lief tief beeindruckt zu Sundays Peugeot zurück: Dieses Handeln im Verborgenen konnte ganz bestimmt eine Menge bewirken.
13. Geisterkrieger
Am nächsten Tag harrte Bond viele Stunden im Vorzimmer zum Büro von Abigail Kross aus, um einen Termin zu bekommen. Als sie ihn schließlich empfing, wirkte sie distanziert und geistesabwesend und entschuldigte sich nur der Form halber. Bond fragte, ob sie ihm nicht kraft ihrer Position ein Interview mit Brigadegeneral Adeka verschaffen könnte. Sie sagte, das sei völlig undenkbar. Der Brigadegeneral habe der Presse sein Leben lang misstraut und spreche prinzipiell nicht mit Journalisten. Bond spielte die französische Karte aus – »Die Agence Presse Libre würde ein Exklusivinterview als große Ehre betrachten« –, aber vergebens.
»Vielleicht könnten Sie stattdessen mit Jakobus Breed reden. Er betreut die ausländischen Militärberater«, regte Madame Kross an.
»Mit Mr Breed habe ich bereits Fühlung aufgenommen.« Bond ließ sich diese Formulierung auf der Zunge zergehen. Dann fuhr er fort: »Ich habe den Bruder des Brigadegenerals in London kennengelernt«, in der Hoffnung, dadurch besonders vertrauenswürdig zu erscheinen. »Er bat mich, seinem Bruder etwas auszurichten.«
»Gabriel Adeka ist kein Anhänger Dahums«, sagte Abigail Kross. Ihr Lächeln erstarb. »Sein Name wird Ihnen hier keine Türen öffnen, Mr Bond. Erst recht nicht die seines Bruders.«
Bond verließ ihr Büro und dachte fieberhaft nach. Madame Kross zeichnete sich zweifellos durch Intelligenz und Integrität aus, aber ihre Unnachgiebigkeit kam ihm geradezu krankhaft vor. Warum mied der Brigadegeneral jeden Kontakt mit der ausländischen Presse? Gute Öffentlichkeitsarbeit konnte eine äußerst wirksame Waffe sein. Hier war irgendetwas faul. Vielleicht sollte er es als Nächstes bei Hulbert Linck versuchen – vielleicht konnte der mehr Druck ausüben.
Vom Pressezentrum aus schickte Bond ein Telex an die vorgebliche APL -Adresse, die man ihm gegeben hatte. In Wahrheit wurde das Fernschreiben an das Transworld Consortium in Regent’s Park weitergeleitet.
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