SOLO mit PINK LADY - MIT 16 DIE WELT EROBERT
ich lese. Ich glaube, sie ist ein bisschen erstaunt über meine Antworten. Ich habe seit meiner Abreise kaum ein Abenteuer- oder Segelbuch angefasst. Stattdessen habe ich die unsinnigste Schundliteratur gelesen, die ich dabeihatte. Wenn ein Teil deiner Gedanken (oder oftmals auch alle) umnichts anderes mehr kreist als das Segeln und die vernünftige Wartung von ELLA’S PINK LADY , sind Segelbücher wirklich das Letzte, was man lesen möchte!
Meine Lage hier draußen stand im krassen Gegensatz zu den Geschichten von Sonnenschein, Schwimmen, Tauchen und Surfen zu Hause. Trotzdem wollte ich nirgendwo anders sein. Windmangel kann einen zwar die Wände hochgehen lassen, doch dann sehe ich wieder, wie die glasklaren Wellen den launischen grauen Himmel spiegeln – einfach unglaublich. Die guten Dinge gibt es eben nur zusammen mit den schlechten!
Aber zurück zum Geschäft. Der Wind hat in den vergangenen Stunden endlich auf zwölf Knoten zugenommen. ELLA’S PINK LADY kommt endlich wieder gut voran. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie gut das tut! Bis Kap Hoorn sind es jetzt noch 270 Seemeilen. Wenn der Wind sich wie erwartet verhält, dann könnten wir das Kap etwa am 13. Januar runden.
Ich halte alle meine Daumen, Finger, Zehen und sonstigen Gliedmaßen gedrückt und hoffe, dass das Wetter mitspielt und meinen Eltern einen guten Überflug beschert. Die Rundung von Kap Hoorn bedeutet für mich einen weiteren riesigen Meilenstein.
Als der Wind wieder zunahm, passierte etwas Seltsames. Wir befanden uns etwa 213 Seemeilen von Kap Hoorn entfernt, als die Sonne herauskam und ich eine Déjà-vu-Sensation erlebte. Da segelten wir nun auf 55 Grad Süd, und ich hatte eine Weile das Gefühl, ich wäre mit Emily und Nick irgendwo in der Nähe von Mooloolaba mit Kurs auf Mudjimba Island unterwegs, einem Eiland, das auch unter seinem Spitznamen »Insel der Alten Frau« bekannt ist. Ich konnte kaum glauben, dass ich fast halb um die Welt gesegelt war und mich plötzlich wie daheim fühlte. Als der Wind zunahm und die Sonne verschwand, verflüchtigten sich mit dem Tageslicht auch meine Gedanken. Aber sie waren schön …
Mittwoch, 13. Januar 2010
Einen Steinwurf vom Kap entfernt
ELLA’S PINK LADY hat die letzten 80 Seemeilen bis Kap Hoorn in böigen Winden um 35 Knoten in Angriff genommen. Es sieht so aus, als würden wir das Kap gleich morgen früh als Erstes runden. Ich bin super aufgeregt! Drückt die Daumen, dass sich die Wolken ein wenig lüften und ich beim Runden einen halbwegs guten Blick erhaschen kann.
In Punta Arenas bereiten sich Mum und Dad derweil auf ihren Abflug am Nachmittag vor. Sie werden über mir im Flugzeug kreisen. Wir werden via Funk miteinander sprechen können. Ich freue mich darauf!
Außerdem erwarten wir Boote der chilenischen und der argentinischen Marine zum Geleit. Es ist mehr als einen Monat her, dass ich zuletzt ein anderes Boot gesehen habe. Und es ist mehr als drei Monate her, dass ich einen anderen Menschen sah. Ich bin absolut begeistert von der Aussicht, so viele Gäste auf einmal zu haben! Meine Haare habe ich heute Morgen besonders ausgiebig gebürstet (was in diesem Wind aber völlig sinnlos ist!).
Und es gibt noch mehr gute Nachrichten: Dilip und seine MHADEI haben Kap Hoorn vor uns gerundet und sind nun auf dem Weg in Richtung der Falklandinseln, um dort seine Probleme an der Ruderanlage zu beheben.
Ich verabschiede mich jetzt lieber, denn hier draußen passiert gerade so viel, und ich muss mich um alles kümmern.
Am Tag unserer Annäherung an Kap Hoorn bin ich am Nachmittag vor Aufregung fast geplatzt. In wenigen Stunden nur würden wir tatsächlich die berühmte südamerikanische Insel mit dem berüchtigten Kap runden! Ich erwartete Mum und Dad jede Minute. Die sich aufbauende See und der launische Himmel verstärkten die Atmosphäre noch. Dass ich – überdreht wie ich war – in meiner sehr kleinen Kajüte saß, machte es wahrscheinlich noch extremer. Ich schrie, als ich plötzlich die Diego-Ramirez-Inseln südwestlich von Kap Hoorn erblickte. Land! Nach so langer Zeit auf See war es wie ein Weckruf. Die Stunden vergingen,aber ich hörte oder sah immer noch nichts von Mum und Dad. Ich machte mir Sorgen, dass etwas schiefgegangen war. Ich dachte, dass sie uns aus dem Flugzeug vielleicht nicht hatten ausmachen können. Endlich rief mich mein Vater über das Satellitentelefon an und berichtete, dass der Pilot hätte umkehren müssen, weil das Wetter so schlecht
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