Solo
spielen, mit dem London Symphony Orchestra. Er hat sich das Handgelenk verstaucht.»
«Mittwoch?» sagte Mikali automatisch. «Das ist schon in drei Tagen.»
«Sie haben doch das Stück
schon zweimal auf Platte eingespielt. Eine Probe müßte
genügen. Sie und Goossens als Dirigent, das könnte eine
Sensation werden.»
«Wo?» fragte Mikali. «In London?»
«Lieber Gott, nein. In Paris,
Johnny. Ich weiß, Sie müßten schon wieder ins Flugzeug
steigen, aber stört Sie das?»
«Nein», sagte John Mikali ruhig. «Paris paßt mir ausgezeichnet.»
Der Handstreich, mit dem das
Militär in den frühen Morgenstunden des 27. April 1967 die
Macht in Griechenland übernahm, war von nur einer Handvoll
Obristen fachmännisch und unter strengster Geheimhaltung geplant
worden, woraus sich größtenteils sein Gelingen erklärt.
Die Weltpresse hatte in den folgenden Tagen ausführlich
darüber berichtet. Mikali verbrachte die Stunden vor seinem
abendlichen Abflug nach Paris im British Museum, wo er sich alle
illustrierten Zeitschriften vornahm, die in den Wochen nach dem Putsch
erschienen waren.
Es war nicht ganz so mühsam, wie
man hätte glauben können, vor allem, weil er nur nach Fotos
suchte. Er fand zwei. Das eine, in der Times, zeigte Oberst Georgios Vassilikos, einen großen gutaussehenden Mann von fünfundvierzig
Jahren mit dichtem schwarzen Schnurrbart zusammen
mit Oberst Papadopulos, dem Mann, der jetzt praktisch als Diktator in
Griechenland regierte.
Das zweite Foto fand sich in einer
von Londoner Exilgriechen herausgegebenen Zeitschrift. Es zeigte
Vassilikos zwischen zwei Sergeanten. Die Bildunterschrift lautete: Der Schlächter und seine Büttel. Mikali trennte behutsam die Seite heraus und ging.
In Paris sprach er am folgenden
Morgen sogleich in der griechischen Botschaft vor. Der
Kulturattaché Dr. Melos empfing ihn enthusiastisch.
«Mein lieber Mikali, was
für eine freudige Überraschung. Ich hatte keine Ahnung,
daß Sie in Paris auftreten.»
Mikali erklärte, wie es dazu
gekommen war. «Natürlich wird in den Pariser Zeitungen noch
rasch eine Notiz erscheinen, damit die Fans wissen, daß ich
spiele und nicht Hoffer, aber ich wollte sichergehen, daß es die
Botschaft auf jeden Fall erfährt.»
«Ich bin Ihnen sehr verbunden.
Der Botschafter wäre höchst aufgebracht gewesen, wenn er das
Konzert versäumt hätte. Nehmen Sie einen Drink.»
«Ich werde gern ein paar Karten
reservieren lassen», sagte Mikali. «Für den
Botschafter und wen immer er mitbringen möchte. Habe ich nicht
irgendwo gelesen, daß Sie einen hohen Militär aus Athen hier
haben?»
Melos schnitt ein Gesicht,
während er Mikali ein Glas Sherry reichte. «Der Mann ist
nicht ausgesprochen kulturell orientiert. Oberst Vassilikos,
Nachrichtendienst, um es höflich auszudrücken.»
«Ich kann mir's denken», sagte Mikali.
Melos blickte auf seine Uhr. «Kommen Sie.»
Er trat ans Fenster. Im Hof stand ein schwarzer
Mercedes, daneben der Chauffeur. Im nächsten Augenblick schritt
Oberst Vassilikos die Stufen des Haupteinga ngs hinunter, flankiert von
den Sergeanten Aleko und Petrakis. Aleko setzte sich neben den
Chauffeur, Petrakis und der Oberst nahmen im Fond Platz. Als der
Mercedes abfuhr, merkte Mikali sich die Nummer, obgleich der Wagen mit
seinem griechischen Stander unschwer wiederzuerkennen war.
«Schlag zehn Uhr», sagte
Melos. «Genau wie bei seinem Besuch im letzten Monat. Wenn seine
Verdauung ebenso pünktlich ist, muß er ein gesunder Mann
sein. Fährt jetzt zur Kadettenschule von Saint-Cyr, durch den Bois
de Meudon und Versailles. Diese Landschaft gefällt ihm besonders,
wie der Chauffeur mir berichtete.»
«Keine Zeit fürs Vergnügen?» sagte Mikali. «Ein ziemlicher Stockfisch, wie?»
«Angeblich bevorzugt er Knaben,
aber das kann ein Gerücht sein. Eines jedenfalls ist sicher. Die
Musik rangiert sehr weit unten auf seiner Prioritätenliste.»
Mikali lächelte. «Nun ja,
man kann nicht überall Anklang finden. Aber vielleicht kommen Sie
und der Botschafter?»
Melos begleitete ihn hinunter.
«Ich war tief bestürzt über den jähen Tod Ihres
Großvaters. Es muß ein furchtbarer Schock für Sie
gewesen sein. Und daß Sie so kurz danach wieder aufs Podium
zurückkehren … Ich kann nur sagen, Ihre Haltung
erfüllt mich mit Bewunderung.»
«Er war der großartigste Mensch, den ich je gekannt habe», sagte Mikali kurz.
«Und ungeheuer
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