Solo
durchnäßt, und er fühlte sich so
elend, daß er unter einer Kastanie Schutz
suchte, um sich eine Zigarette anzuzünden. Als der Nebel über
dem Fluß sich ein wenig hob, sah er etwas drunten im Wasser, am
Ende der Helling.
Er trat näher heran und sah die
Rückwand eines Citroën Lasters, dessen Vorderteil unter
Wasser lag. Er watete in den eiskalten Fluß, holte tief Atem,
packte den Türgriff und zog daran. Als er wieder an Land stapfte,
hielt er Claude Jarrot in den Armen.
Der gerichtsmedizinische Befund, der bei dem eine Woche
später stattfindenden Verfahren vorlag,
nannte einen Alkoholspiegel im Blut des Toten, der den für
Kraftfahrer zulässigen Promille-Gehalt um das Fünffache
überstieg. Das Gerichtsurteil war einfach: Tod durch Unfall.
Das Konzert am Freitag erfüllte
alle Erwartungen, und beim anschließenden Empfang konnte man den
Innenminister persönlich mit dem griechischen Botschafter in einer
Ecke plaudern sehen. Als der Andrang der Gratulanten rings um Mikali
ein wenig nachließ, trat Deville zu ihm.
«Freut mich, daß Sie kommen konnten», sagte Mikali, als sie einen Händedruck tauschten.
«Mein lieber Junge, ich
hätte es um nichts auf der Welt versäumen wollen. Sie waren
fabelhaft – wirklich fabelhaft.»
Mikali sah sich in dem überfüllten Raum um, in dem das tout Paris sich ein Stelldichein zu geben schien.
«Seltsam, ich fühle mich plötzlich unendlich weit von alledem entfernt.»
«Einsam in der Menge?»
«So ungefähr.»
«Ich fühle mich schon seit
fünfundzwanzig Jahren so. Das große Spiel. Die Gratwanderung
auf Messers Schneide. Nie wissen, wie lange man noch damit durchkommt.
Warten auf das Ende. Das Klopfen an der Tür.» Deville
lächelte. «Eine Erregung besonderer Art.»
«Als wäre man ständig
high?» sagte Mikali. «Glauben Sie, daß es eines Tages
kommen wird, Ihr Ende?»
«Vermutlich dann, wenn ich es
am wenigsten erwarte, und aus einem denkbar albernen und triviale n
Grund.»
Mikali sagte: «Gehen Sie noch
nicht. Ich muß nur kurz mit dem Innenminister sprechen. Bis
später.»
«Natürlich.»
Der Minister sagte gerade zum
griechischen Botschafter: «Selbstverständlich tun wir alles,
was in unserer Macht steht, um diesen – diesen Makel auf dem
Ehrenschild Frankreichs zu tilgen; aber, unter uns gesagt, Herr
Botschafter, Ihr Mann aus Kreta scheint wie vom Erdboden verschwunden.
Doch nur für den Augenblick. Früher oder später werden
wir ihn zu fassen kriegen, das verspreche ich Ihnen.»
Mikali hörte das alles, als er
auf die beiden Herren zuschritt. Er lächelte. «Exzellenzen,
es ist mir eine Ehre, daß Sie heute abend zugegen sein
konnten.»
«Ganz unsererseits, Monsieur
Mikali.» Der Minister winkte einen Kellner herbei, der auf einem
Tablett Champagnergläser herumtrug. Jeder der drei Herren nahm ein
Glas. «Eine bewundernswerte Leistung.»
Der griechische Botschafter hob den
Champagnerkelch. «Auf Ihr Wohl, mein lieber Mikali, und auf Ihr
Genie. Griechenland ist stolz auf Sie!»
Als Mikali gleichfalls sein Glas hob, trank ihm Jean Paul Deville im Spiegel zu.
General Georgios Stephanakis trug sich am
Nachmittag des 2. November im Westberliner Hilton-Hotel ein. Er bekam
eine Suite auf der vierten Etage, mit angrenzenden Zimmern für
seine Begleitung. Außerdem hatte die Direktion, als eine Geste
der Höflichkeit, dafür gesorgt, daß sowohl der
Zimmerkellner wie das Zimmermädchen Griechen waren.
Das Mädchen hieß Zia
Boudakis, war neunzehn, klein, dunkelhaarig und hatte einen
olivfarbenen Teint. In ein paar Jahren würde sie zur Fülle
neigen, aber noch war sie schlank und zierlich, und als sie an jenem
Abend mit Hilfe ihres Hauptschlüssels die Suite betrat, sah sie
ausgesprochen reizend aus mit ihren schwarzen Strümpfen und dem
kurzen schwarzen Zofenkleidchen.
Der General würde um acht Uhr
zurückkommen, hatte man ihr gesagt, also beeilte sie sich, die
Betten aufzuschlagen und die Suite in Ordnung zu bringen. Sie faltete
die Überwürfe zusammen und wandte sich zum Einbauschrank, um
sie dort zu verstauen. Sie zog die Schiebetür zur Seite.
Der Mann, der im Schrank stand, trug
schwarze Hosen und einen schwarzen Pullover, über Kopf und Gesicht
hatte er eine Mütze gezogen, die nur Augen, Nase und Lippen
freiließ. Das Mädchen bemerkte, daß er ein Seil um die
Taille geschlungen hatte und daß die Hand, die ihre Kehle
umklammerte, um ihren Schrei zu
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