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Solo

Solo

Titel: Solo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Straßenverkehr war lebhaft, und überraschend viele Leute waren unterwegs.

      Jetzt befanden sie sich irgendwo in der Falls Road, zur Linken lag der katholische Bezirk Turf Lodge, wie Morgan wußte. Dann bog der alte Mann in eine der schäbigen Seitenstraßen ein.
      Am Ende der Straße befand sich der Lagerplatz einer Baufirma. Als sie näher kamen, öffnete sich das hohe Tor. Sie fuhren in den Hof, und das Tor schloß sich hinter ihnen.
      Über einer Tür brannte eine Lampe und erhellte den Hof. Ein alter Ford-Lieferwagen stand unter dieser Lampe, an den Seitenwänden trug er die Aufschrift Backwarenfabrik Kilroy.
      Nichts war zu hören, nur der Regen. Dann sprach der Alte zum erstenmal, «So, jetzt können Sie aussteigen, Mister.»
      Dies war der gefährlichste Augenblick, wie Morgan wußte. Der Augenblick, in dem er erfahren würde, ob sich sein kalkuliertes Risiko gelohnt hatte oder nicht. Er zündete sich ruhig eine Zigarette an, dann öffnete er die Autotür und stieg aus.
    Ein massiger Mann im dunklen Anorak mit hochgestülpter Kapuze kam hinter dem Lastwagen hervor, in der Hand hielt er ein Kalaschnikow-Sturmgewehr. Morgan wartete. Man hörte Schritte, und eine zweite Gestalt tauchte aus dem Dunkeln auf. Groß, mit einem alten gegürteten Regenmantel und Tweedmütze. Ein sehr junger Mann, fast noch ein Knabe. Als er näher kam, sah Morgan das Gesicht unter der Schildmütze, die dunklen gequälten Augen, die seelische Pein verrieten.

      «Wenn Sie die Freundlichkeit hätten, Abklopfstellung einzunehmen, Colonel.»
      Nach seinem Akzent war er aus Belfast, und er verstand sein Geschäft, denn sobald Morgan sich mit ausgestreckten Händen an die Seitenwand des Lieferwagens gestützt hatte, klopfte er ihn flink und sachkundig nach Waffen ab.
      Nachdem die Untersuchung zufriedenstellend verlaufen war, öffnete er die Hintertüre. «All right, Colonel. Einsteigen.»

      Er stieg hinter Morgan in den Wagen, der andere Mann reichte ihm das Gewehr hinein und schloß die Tür. Morgan hörte, wie er zur Fahrerkabine ging. Im nächsten Moment starteten sie. Die Fahrt dauerte nicht länger als zehn Minuten. Der Lieferwagen hielt, der Fahrer kam nach hinten und öffnete. Der Junge sprang heraus, und Morgan folgte ihm. Die Straße bot ein Bild der Verwüstung, alles war mit Glassplittern übersät. Die meisten Laternen waren zerschlagen, und ein Lagerhaus auf der anderen Seite war nur noch ein Schutthaufen.
      Die kleinen Einfamilienhäuser zeigten kaum Anzeichen von Leben, nur wo eine Gardine schlecht zugezogen war, fiel hier und dort ein schmaler Lichtstreifen aufs Pflaster. Der Junge zündete sich eine Zigarette an und warf das Streichholz weg.
      «Großartige Gegend, um seine Kinder aufzuziehen, meinen Sie nicht auch, Colonel?» sagte er, ohne Morgan anzusehen, dann ging er, die Hände in den Taschen seines alten Regenmantels vergraben, auf die andere Straßenseite.

    Morgan folgte ihm. An der Ecke lag ein kleines Café. Der Junge stieß die Tür auf und ging hinein. Es war nichts Besonderes. Auf der einen Seite eine Reihe braunlackierter Nischen, gegenüber eine marmorbelegte Theke mit einer großen altmodischen Teemaschine, die mit Gas geheizt wurde.
      Offenbar waren keine Gäste im Lokal. Das einzige Lebewesen war die alte grauhaarige Frau mit der schmutzigen weißen Schürze, die neben der Teemaschine saß und eine Zeitung las. Sie warf einen kurzen Blick auf Morgan, dann nickte sie dem Jungen zu.
      Eine ruhige Stimme rief aus der hintersten Nische: «Führ den Colonel hierher, Seumas.»

      Liam O'Hagan aß Eier mit Chips, ein Becher Tee stand daneben auf dem Tisch. Er war Anfang Vierzig und hatte dunkles lockiges Haar. Er trug ein am Hals offenes Hemd und eine kurze Jacke und sah aus wie ein Werftarbeiter, der auf dem Heimweg zu einem kleinen Imbiß Rast gemacht hat. «Hallo, Asa», sagte er. «Sie sehen gut aus.»
      Der Junge ging zur Theke und bestellte zwei Becher Tee. Morgan setzte sich. «Ist er nicht ein bißchen jung für den Job?»

      «Wer? Seumas?» O'Hagan lachte. «Damals im August neunundsechzig war er's jedenfalls nicht, als der Oranier-Pöbel in die Falls Road einfiel, um alles bis auf den Grund niederzubrennen, jede katholische Familie, die dort wohnte, zu verjagen. In jener Nacht ist eine Handvoll IRA-Männer aufgetaucht, um ihnen das Handwerk zu legen, und Seumas war auch darunter.»

    «Er kann damals höchstens sechzehn gewesen

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