Solo
neben dem Café geflitzt. Morgan raste hinter ihnen her.
Am Ende der Gasse stand eine sechs Fuß hohe Ziegelmauer, und sie kletterten gerade darüber, als hinter ihnen die ersten Soldaten um die Ecke kamen. Sie befanden sich in einem Fabrikhof und liefen blindlings durch die Dunkelheit, bis sie ein hölzernes Tor fanden. Seumas öffnete den Durchlaß, und sie waren draußen auf der Straße, als der erste Soldat die andere Seite der Mauer erreichte.
Der Junge und O'Hagan schienen den Weg genau zu kennen. Morgan folgte ihnen durch ein Labyrinth schäbiger Gassen, und die Geräusche der Verfolger blieben zurück. Schließlich gelangten sie ans Ufer eines kleinen Kanals, und Seumas machte neben einigen Büschen halt. Er nahm eine kleine Lampe aus der Tasche, und als er sie anknipste, erdröhnte aus der Innenstadt eine gewaltige Explosion, und danach folgten in kurzen Abständen noch drei weitere Detonationen.
O'Hagan blickte auf die Uhr. «Ausnahmsweise pünktlich.» Er grinste Morgan an. «Sie hätten leicht von einem Ihrer eigenen Leute erschossen werden können. Wäre eine Ironie des Schicksals gewesen.»
«Was jetzt?» fragte Morgan.
«Nichts wie weg von hier. Seumas, mach auf.»
Im Licht der Taschenlampe sah Morgan, daß der Junge die Büsche zurückgebogen und einen Einstieg freigelegt hatte, dessen Deckel er beiseite zog. Er stieg die Eisenleiter hinunter. Morgan zögerte einen Augenblick, dann folgte er dem Jungen, und O'Hagan kam als letzter, nachdem er den Kanaldeckel wieder an Ort und Stelle geschoben hatte.
Morgan befand sich jetzt in einem Tunnel, der so niedrig war, daß er fast kriechen mußte. Der Junge nahm eine große Stablampe und knipste sie an. Er ging weiter in den Tunnel hinein, Morgan hinter ihm her. In der Ferne hörte man Wasser rauschen.
Sie erreichten die Betonböschung eines tiefen Kanals, und im Licht der Stablampe sah Morgan, daß unten ein schäumender Strom dahinfloß. Der Geruch war höchst unangenehm.
«Der Haupt-Abwasserkanal», sagte Seumas. «Die ganze Protestantenscheiße aus dem Shankhill. Keine Sorge, Colonel. Wir gehen drunter weg und kommen bei Freunden im Ardoyne wieder zum Vorschein.»
«Und dann?» fragte Morgan.
«Ich glaube, so wie die Dinge liegen, verziehen wir uns am besten heute nacht aus der Stadt», sagte O'Hagan. «Und Sie auch, Asa.»
«Das schaffen Sie nie», erwiderte Morgan. «Nicht nach diesen Bombenexplosionen. Jede Straße, die aus der Stadt hinausführt, wird dichtgemacht.»
«Ach, es gibt noch mehr Wege», sagte O'Hagan. «Sie würden staunen. Also, los jetzt.»
Etwa zwanzig Minuten später tauchten sie in einer Art Lagerhof hinter einer hohen Ziegelmauer auf. Als der Junge seine Lampe auf das darinstehende Gebäude richtete, sah Morgan die beträchtlichen Bombenschäden und die verrosteten Eisenstäbe an allen Fenstern.
Vor einer großen Doppeltür mit Kette und Vorhängeschloß blieben sie stehen, und O'Hagan zog einen Schlüssel hervor. «Das war ein großes Schnapslager, gehörte einer Londoner Firma. Nach der dritten Bombe hatten sie die Nase voll.»
Er schloß auf, und Morgan und Seumas gingen hinein. O'Hagan schloß wieder ab, und der Junge tastete im Dunkeln herum. Ein Schalter klickte, und eine einzelne Glühbirne leuchtete auf.
«Nett von ihnen, daß sie den Strom nicht abgeschaltet haben», sagte O'Hagan.
Morgan sah, daß sie sich in einer Garage befanden. In der Mitte stand irgendein Fahrzeug, das mit einer Plane bedeckt war. O'Hagan ging hin und zog die Plane weg. Darunter kam ein Landrover der Army zum Vorschein. Am Vorderteil des Wagens war ein Schild aufmontiert mit den Worten:
Einsatzwagen – Bombenräumung
«Gut, wie?» sagte O'Hagan. «Wir sind noch nicht ein einzigesmal angehalten worden. Eigentlich sollten Sie sich ja in dieser Situation richtig zu Hause fü hlen, Asa.» Er ging zum Heck des Landrover, öffnete es und nahm eine Tarnjacke heraus, die er Morgan zuwarf. «Alles da, was der Mensch braucht. Leider müssen Sie um ein paar Dienstgrade zurückstecken. Mehr als einen Captain kann ich Ihnen nicht bieten. Ich bin der Sergeant, und Seumas ist unser Fahrer.»
«Und das Ziel?» fragte Morgan. «Wohin fahren wir?»
«Wollten Sie nicht wissen, woher diese Mauser stammen? All right – wir fahren zu Brendan Tully und fragen ihn.»
Es klappte wie am Schnürchen, die Fahrt aus der Innenstadt durch die Antrim Road verlief reibungslos. Durch
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