Solo
Leinwandstreifen kunstgerecht verbunden. Er fühlte sich alt – so müde und verbraucht wie seit Jahren nicht.
«Hinsetzen», sagte Georgios und klopfte neben sich auf die Bank. «Wie geht's?»
«Nächsten Monat werde ich fünfzig», sagte Morgan. «Und zum erstenmal fühle ich es.»
Maria lachte laut. «Der Alte da kann Ihnen fünfundzwanzig Jahre abgeben, und dabei versucht er noch immer jeden Samstag, mich ins Bett zu kriegen.»
Georgios bot ihm eine griechische Zigarette an und gab ihm Feuer. «Gestern nacht sagten Sie etwas Interessantes. Sie erwähnten Mikali. Hat der Sie vielleicht so zugerichtet?»
«Ist er mit Ihnen befreundet?» fragte Morgan.
Der Alte spuckte aus und stand auf. «Moment.» Er ging ins Haus und kam mit einem Zeiss-Feldstecher zurück.
«Wo zum Teufel haben Sie das Glas her?» fragte Morgan.
«Einem Nazi-Soldaten abgenommen, als ich während des Krieges auf Kreta bei der EOKA war. Kommen Sie, ich zeige Ihnen was.»
Er ging ein Stück durch den Pinienwald, und Morgan folgte ihm. Der Alte blieb stehen und deutete mit dem Finger. «Da!»
Drunten rauschte der Wildbach durch den Wald bis zur Bucht, über der Mikalis Villa stand. Georgios stellte den Feldstecher ein und reichte ihn Morgan.
«Sehen Sie – bis ganz hinunter. Die Terrassen – jeder Stein von einem Maulesel herangeschleppt. Mit dem Schweiß meiner eigenen Vorfahren angelegt. Alles von Mikali gestohlen.»
Durch das Glas konnte Morgan die Konturen der alten Terrassen deutlich erkennen. Trotz der Olivenbäume war der Boden von Unkraut überwuchert und offensichtlich nicht bestellt.
Morgan sah den alten Georgios an. «John Mikali?»
«Sein Urgroßvater. Aber das ändert nichts. Ein Mikali ist ein Mikali. Einmal waren wir vom Ghika-Clan wohlhabende Leute. Genossen Ansehen. Aber jetzt …»
Wieder hob Morgan den Feldstecher vor die Augen, und der Garten unterhalb der Villa kam in Sicht, Kate Riley, die den Pfad zur Mole hinunterging, und der junge Nicky, der dort angelte.
«Mein Gott!» sagte Morgan.
Der Alte nahm ihm den Feldstecher aus der Hand und blickte selber hinein. «A ja, ich habe sie schon früher hier gesehen. Die amerikanische Dame.»
«Schon früher?» fragte Morgan.
«O ja. Kennen Sie sie?»
«Auf den ersten Blick habe ich's geglaubt», sagte Morgan heiser. «Jetzt bin ich nicht mehr so sicher.» Und ehe Georgios ihn zurückhalten konnte, hatte er sich abgewendet und stolperte zwischen den Pinien hindurch den Hang hinunter.
Es war sehr heiß, als Kate über die Terrassen zum Garten ging. Als sie am Bauernhaus vorbeikam, bellte der kleine schwarze Hund sie an. Die alte Anna winkte aus der Küche, und dann kam sie zu den breiten Betonstufen und sah Nicky dort stehen und angeln.
Das Wasser war kristallklar, das Motorboot spiegelte sich in ganzer Größe darin. Nicky drehte sich lächelnd zu ihr um, und sie fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar.
« Yassou !» begrüßte sie ihn mit einem der wenigen griechischen Wörter, die sie kannte.
Er zog die Angelschnur ein und lächelte vor Eifer. Er war schon zwölf, hatte also die Schule hinter sich. Seine Mutter war verwitwet und arbeitete in einem Hotel in Athen, und er wohnte zur Zeit bei Konstantin und Anna, half ihnen das Boot fahren und lernte fischen. Er hatte Kate besonders ins Herz geschlossen. Wenn sie auf der Insel war, folgte er ihr auf Schritt und Tritt.
Er zog ein fettiges Papier aus der Tasche seiner Jeans und bot ihr ein Stück türkisches Konfekt aus der Küche seiner Großmutter an. Es war so süß, daß ihr vermutlich übel werden würde, aber eine Ablehnung hätte ihn gekränkt. Sie nahm sich das kleinste Stück, schob es in den Mund und würgte es hinunter, so schnell sie konnte.
Sie setzte sich auf eine der Betonstufen. Nicky kauerte sich neben sie und holte mehrere Polaroidfotos aus der Hemdtasche.
«Ah, du machst noch immer diese Bilder, wie?» sagte sie.
Er reichte sie ihr Stück für Stück. Eines zeigte den alten Konstantin, das nächste seine Großmutter, dann kam Mikali auf der Terrasse. Schließlich sie selber, wie sie im Heck des Bootes saß.
«Gut?» sagte er.
«Sehr gut.»
Dann reichte er ihr das Foto, das er am vergangenen Abend von Asa Morgan in der Kajüte aufgenommen hatte.
Sie saß da und starrte auf das Bild, und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie zu fassen vermochte, was sie vor sich hatte.
«Wo hast du das
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