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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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behaupten, dass dies der biblische Garten Eden gewesen sei.«
    »Ich kenne mich weder mit Geschichte noch mit der Bibel aus.« Odus riss ein paar Maiskolben ab und sog genüsslich den süßen Stärkeduft ein. »Die Geschichte erzählt, was alles schiefgelaufen ist, und die Bibel versucht zu erklären, warum. Da bleib ich doch lieber unwissend.«
    Gordon setzte seine Brille wieder auf, wodurch sich Odus’ Unruhe etwas legte. Er wusste jetzt, woran ihn Gordons unbebrillte Augen erinnert hatten: an Ziegen. Dieselben schweren Augenlider, derselbe wirre Blick.
    »Nicht immer waren die Vogelscheuchen Strohmänner, die menschliche Kleidung trugen«, fuhr Gordon fort und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. »Früher band man lebendige Menschen im Garten fest.«
    Odus warf dem Professor einen ungläubigen Blick zu. Doch Gordons Gesicht war unbewegt wie immer. Eigentlich hatte Gordon noch nie einen Witz gerissen. Er schien gar nicht richtig lachen zu können, und selbst wenn er lächelte, sah es aus, als ob es ihm Schmerzen bereitete. »Was denn, einfach nur um die Vögel zu verscheuchen?«
    »Ja, das auch. Aber andere Tiere ließen sich davon nicht abschrecken, besonders nicht in der Nacht. Ein hilfloser Mann draußen in der Wildnis zog viele Räuber an.«
    »Und warum hat man das gemacht? Als Bestrafung?«
    »Es war mehr als eine Strafe. Es war eine Opfergabe. Ein Opfer an die Götter der Ernte und der Fruchtbarkeit.«
    »Das klingt mir aber eher nach einem heidnischen Brauch.«
    »Dieses Ritual war in vielen Kulturen verbreitet. Die alten Germanen spießten das Opfer mit dem Nabel an einen Baum und wickelten es dann um den Stamm herum. In der Südsee behaupteten die Hexenmeister, dass die Inselgötter nach Opfern verlangten, um ihren Zorn zu besänftigen. Afrikanische Könige töteten die Zauberer, denen es nicht gelang, den Regen herbeizuwünschen. Auch die alten Römer brachten verschiedenste Opfergaben, sowohl an die Jagdgöttin Diana als auch an Ceres, die Göttin des Ackerbaus.«
    »Haben sie wirklich daran geglaubt?«
    »Blut ist der beste Dünger, den es gibt«, antwortete Gordon.
    Sie waren jetzt ganz in der Nähe der Vogelscheuche. Durch den derben Stoff sah es aus, als ob sie sie böse anblickte. Odus war sich zwar nicht ganz sicher, aber es schien ihm, als hätte sie sich an ihrem Kreuzgestell gedreht. Auch die Arme hingen schlapper herunter als vorher. An den Hemdsärmeln waren mit Bindedraht alte Handschuhe befestigt. Odus kam es vor, als ob die Vogelscheuche mit einem dieser Handschuhe eine lockende Handbewegung machte.
    »Die Vogelscheuche sitzt auf dem Trockenen«, sagte Gordon. »Sie hat Durst.«
    Odus schluckte. Er hatte auch Durst, und er hoffte, dass der Bourbon in seinem Flachmann ausreichen würde, um das Bild von der lockenden Vogelscheuche wegzuspülen.
    »Nun, ich denke, wir haben genug, um die Ziegen wieder ein paar Tage durchzubringen«, meinte er. »Vielleicht sollten wir den Rest noch ein bisschen reifen lassen.«
    »Die Ziegen werden sich vermehren, wenn das Blut rein ist«, sagte Gordon, als gäbe er die Worte eines skurrilen Gebets wieder. Der Mann hatte ein Haus voller Bücher, und allein der Umstand, dass er ein Nachfahre von Harmon Smith war, entschuldigte seinen wirren Geisteszustand.
    »Sieht so aus, als ob sie sich auch so schon ganz gut vermehrt hätten. Sie können nicht die ganze Herde über den Winter bringen, sonst fressen sie Ihnen buchstäblich die Haare vom Kopf. Wenn Sie Futter für alle kaufen, kostet das mindestens hundert Dollar die Woche. Die Geißen sind fast die ganze Zeit brünstig. Und Sie wissen ja, wie die Böcke sind. Sobald sie drei Wochen alt sind, stecken sie ihren Schwanz in alles rein, was wackelt.«
    »Die Herde ist ein Segen«, antwortete Gordon. Er streifte mit beiden Händen die Körner von den Kolben und warf sie in den Korb. Dabei fiel ihm ein Kolben aus der Hand. Odus bückte sich, um ihn aufzuheben. Da sah er, wie die Vogelscheuche ihren Kopf hob.
    Die Nachmittagssonne spiegelte sich in den elfenbeinfarbenen Augen. Vorher hatte sie den Kopf hängen lassen, als ob er genug davon hätte, den ganzen Sommer auf diesem Stab verbringen zu müssen. Die Augen waren im Schatten des Strohhuts verborgen gewesen.
    »So, Mr. Smith, ich glaube, wir haben jetzt wirklich genug.«
    »Wie finden Sie meine neue Familie?«, fragte Gordon und erntete fleißig weiter, als würden bald riesige Heuschreckenschwärme einfallen.
    »Katy sieht wirklich nett aus«, antwortete
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