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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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Er sagte, Sie seien bewusstlos gewesen, aber vielleicht haben Sie ja unterbewusst mitgekriegt, was los war. Das ist bei einem Ohnmachtsanfall nicht ungewöhnlich.«
    »Nein, vorher. Ich habe ihn gesehen.« Plötzlich hatte sie es gar nicht mehr so eilig, aus dem Krankenhaus in Titusville herauszukommen und nach Solom zurückzukehren.
    »Atmen Sie ganz ruhig«, sagte Dr. Hyatt und tätschelte Sarahs Hand, bis ihr Pulsschlag wieder regelmäßig war. »Ruhen Sie sich aus. Am besten, Sie bleiben erst einmal ein Weilchen bei uns.«
    Das klang gut, fand Sarah. Sie schloss die Augen und versuchte, das immer wiederkehrende Bild loszuwerden, wie der Mann sein Kinn hob, bis die breite Krempe sein Gesicht zu erkennen gab.
    Oder besser gesagt das, was von seinem Gesicht übrig war.

 
     
     
    10. KAPITEL
     
    Odus Hampton war ein paar Stunden im Krankenhaus geblieben. Als die Ärztin ihm mitteilte, dass Sarah wieder aufgewacht und bei Bewusstsein war, aber keine Besucher empfangen wollte, war er wieder zurück nach Solom gefahren. Er hatte Gordon Smith versprochen, ihm bei der Maisernte zu helfen. Der Mais hatte zwar noch nicht genug Frost bekommen, um hart genug zum Füttern zu werden. Doch als Odus die braunen Kolben von den Stängeln brach, dachte er sich, dass er das Gordons Problem sein lassen wollte, solange er ihn bar bezahlte.
    Nach dem Schrecken, den Sarah ihm eingejagt hatte, war seine Kehle wie ausgetrocknet gewesen. Also hatte er sich in einem Spirituosenladen in Titusville eine Flasche Whiskey besorgt. Nach ein paar Stunden in der sengenden Septemberhitze hatte er sich ein paar Schlucke verdient.
    Normalerweise überließ Gordon Smith Odus die schweren Arbeiten, doch heute machte der Professor mit. Er machte sich in den Reihen neben ihm zu schaffen. Sie füllten die Körbe und brachten sie an den Feldrand, wo Gordon seinen Rasentraktor abgestellt hatte. Einen richtigen Traktor besaß er nicht, nur ein uraltes eisernes Gefährt, das zwischen Scheune und Garten vor sich hin rostete. Odus dachte gerade darüber nach, was Sarah über den Mann mit dem Hut gesagt hatte, als Gordon zu sprechen begann.
    »Wir könnten eigentlich die Vogelscheuche abbauen«, meinte er.
    Odus schaute zu der hölzernen Kreuzkonstruktion hinüber, deren Kopf einen guten halben Meter über die vertrockneten Maisblüten hinausragte. Die Vogelscheuche trug einen alten verwitterten Strohhut, von der Sonne verblichen und vom Regen verwaschen. Der Hut war mit einer Schnur am Gesicht aus einem alten Kartoffelsack festgebunden. Die Solomer hatten ein besonderes Verhältnis zu ihren Vogelscheuchen. Sie behandelten sie wie Familienmitglieder und stellten jedes Jahr wieder dieselbe auf.
    Odus hatte immer gedacht, das wäre so eine Art Aberglaube. Man hängte die Vogelscheuche in der Scheune auf, von wo aus sie im Winter das Vieh beschützte. Odus arbeitete jetzt schon seit drei Jahren bei Gordon, und er wusste, dass die Vogelscheuche eigentlich erst Ende Oktober reingeräumt wurde, wenn die Nächte wieder länger wurden und der Wind in den letzten Blättern geheimnisvoll rauschte.
    »Ist es dafür nicht noch ein bisschen früh?«, fragte Odus.
    Gordon legte eine Hand über die Augen und betrachtete den wolkenlosen Himmel. »Ein Sturm zieht auf.«
    »Glaub ich kaum. Die Vögel sind ruhig und die Mäuse sind genauso wuselig wie immer.«
    Gordon zog seinen Arbeitshandschuh aus, fischte ein Taschentuch aus seiner Jeans und putzte seine Brille. Seine Augen waren glasig, er blickte verwirrt. »Ich meine einen anderen Sturm, Odus.«
    Odus löste einen Kolben mit einer leichten Drehbewegung vom Stängel. Er warf ihn in den Korb und schob diesen dann ein Stückchen weiter.
    »Davon hab ich keine Ahnung«, erwiderte Odus.
    »Wissen Sie, dass Vogelscheuchen mehr sind als nur ein Trick, um die Vögel fernzuhalten?«
    Odus mochte den Blick nicht, mit dem Gordons sanfte Augen über ihn hinwegsahen und die Wiesen hinter ihnen fixierten.
    »Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie dafür überhaupt zu gebrauchen sind«, sagte Odus. »Ich musste diesen Frühling drei Mal neu pflanzen. Die kleinen Räuber sind einfach so reingestürmt, als würde alles ihnen gehören.«
    Gordon redete weiter, als hätte er Odus überhaupt nicht gehört. So machte er es bestimmt auch an der Uni, wenn er eine Vorlesung vor zugekifften reichen Studenten hielt. »Die Vogelscheuche ist so alt wie der Ackerbau. Ihre Geschichte reicht zurück bis ins alte Babylon, von dem viele Wissenschaftler
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