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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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Odus. »Und Ihre Tochter … ich meine, Ihre Stieftochter …«
    »Sie ist jetzt meine Tochter«, sagte Gordon. »Sie gehört auch hierher.«
    »Ja, sie sieht auch ganz nett aus. Ist zwar etwas anders als die anderen, aber sie scheint keinen Stress zu machen, oder? Man weiß ja, wie Kinder in dem Alter sind. Müssen erst ihren Platz in der Welt finden.«
    »Man wird ihr den Weg schon noch zeigen«, antwortete Gordon und verfiel dabei wieder in seine Gebetsstimme. Odus aber hörte ihm gar nicht zu. Er beobachtete die Vogelscheuche. Fast schien er darauf zu warten, dass sie die Seile zerriss, mit denen sie am Kreuzgestell festgebunden war, sich am Boden entlangwand und sich dann aufmachte, um ihren Durst zu stillen.
    Der Korb war schon wieder voll. Gordon beugte sich hinab und hob ihn an den Drahtbügeln hoch. »An ihren Taten, nicht an ihren Worten sollt ihr sie erkennen«, entgegnete er.
    »Natürlich, Mr. Smith. Wie Sie meinen.«
    »Genug geerntet für heute.«
    Odus entfuhr ein Seufzer der Erleichterung. Er hoffte, dass dieser als Gähnen durchgehen würde. Gordon würde ihm zwanzig Dollar Schwarzgeld zustecken, und dann würde Odus sich auf den Weg machen. Zuerst würde er zu seiner Hausmeisterwohnung fahren und sich dann in die sanfte, nebelige Gesellschaft eines guten achtzigprozentigen Old Mill Stream begeben.
    »Jetzt müssen wir nur noch die Vogelscheuche reinholen«, sagte Gordon.
    Die Vogelscheuche hing wieder schlaff an ihrem Gestell, als bestünde sie nur aus alten Kleidern und Stroh. Odus hatte keine Lust, sie anzufassen. Schließlich befanden sie sich auf dem Land von Harmon Smith. Der Wanderprediger war zwar seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gesehen worden, doch manchmal schwebte noch lange ein düsterer Schatten über dem Land, auch wenn sich die dunklen Wolken schon längst verzogen hatten.
    »Ich muss los, nach Titusville«, log er. »Sarah Jeffers hatte einen Anfall und liegt jetzt im Krankenhaus. Ich hab versprochen, sie noch mal zu besuchen, weil sie doch keine Familie hat.«
    »Oh, das tut mir leid!«, sagte Gordon und stellte den Korb in die Schubkarre, die fast überquoll vor all den grün umhüllten Maiskolben. Die Quasten und Kolbenspitzen waren schon braun. »Dann kommen Sie einfach morgen wieder und wir kümmern uns dann um die Vogelscheuche.«
    »Aber sicher, Mr. Smith. Ob Sie mich heute vielleicht gleich bar bezahlen könnten und nicht erst am Freitag?«
    »Kein Problem.« Gordon zog seine Handschuhe aus und legte sie auf die Schubkarre. Er holte einen Zwanzig-Dollar-Schein aus dem Portemonnaie und reichte ihn Odus. Als Odus nach dem Schein griff, packte ihn Gordon am Handgelenk und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Obwohl Odus mehr als 90 Kilo wog, war Gordon ihm größen- und gewichtsmäßig überlegen. Gordons linkes Brillenglas verzerrte Odus’ Blick. Wieder wurde er an die Augen der Ziegen erinnert. Selbst die Pupillen des Professors schienen so flach und schmal zu werden wie bei den Ziegen.
    »An ihren Früchten wirst du sie erkennen«, hauchte er. Sein Atem stank nach Pfeifentabak und Knoblauch.
    Odus nickte und war froh, als Gordon ihn wieder losließ. Er steckte das Geld in die Hosentasche und machte, dass er zum Tor hinaus kam. Mit einem letzten Blick versicherte er sich, dass die Vogelscheuche an ihrem Platz stand. Sie stand noch da, allerdings war ihr die Krempe des zerschlissenen Hutes noch tiefer ins Gesicht gerutscht, als ob der ausgestopfte Kopf in gebetsmühlenartiger Resignation nach unten gesunken wäre.
    Er stieg in seinen Chevy und trat aufs Gas. Die Ziegen kamen von der Weide, um zu sehen, was Gordon ihnen heute zum Mittagessen servierte.

 
     
     
    11. KAPITEL
     
    David Tester nahm die Abkürzung über das Verlorene Joch. Das war der schnellste Weg von seinem Haus zur Kirche. Es war dunkel, doch David kannte den Weg. Außerdem hatte er eine Taschenlampe dabei. Hoch oben in den dunklen Baumwipfeln erklang der Ruf einer Eule, und auch andere Nachttiere huschten durch den Wald. Sie sammelten Vorräte für den bevorstehenden Winter. Die Blätter unter seinen Füßen raschelten und knisterten. Der erste Tau legte sich über den Boden. Eine wässrige Mondsichel versuchte das dichte Blätterdach über seinem Kopf zu durchdringen.
    Er befand sich am oberen Ende des Smith’schen Grundstücks. Das Waldstück am Hang hatte einst Harmon Smith gehört und war jetzt im Besitz von Gordon Smith. Der Wasserlauf, der den Namen Rush Branch trug, entsprang als kleines Rinnsal
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