Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
ganzer Schwall bitterer Saft seine Kehle hinunter.
»Ich bin noch nicht dran«, sagte Arvel. »Nehmen Sie Betsy mit. Sie liegt oben, hilflos wie ein Kätzchen mit durchgetrennter Kehle. Sie wird keinen Ärger machen.«
»Du auch nicht.«
Arvel wich einen Schritt zurück. Er überlegte, ob er den Schürhaken zu packen kriegen würde und ob der Stahl etwas gegen eine Kreatur ausrichten konnte, die aus Nichts zu bestehen schien. »Sie können mich nicht mitnehmen«, sagte Arvel und musste vor Erleichterung fast lachen. »Die Sonne ist schon aufgegangen.«
Der Wanderprediger stand auf, schlaksig und über zwei Meter groß. »Ich bestimme nicht die Regeln, Arvel«, entgegnete er.
»Aber Sie haben doch auf dieser Runde schon eine Seele geholt!«
»Ich habe gar nichts geholt. Sondern Solom.«
»Ich bin noch nicht dran!«, wiederholte Arvel fast trotzig, und Tränen schossen ihm in die Augen. Das Wohnzimmer verschwamm vor seinem Blick, und Arvel betrachtete noch einmal die vertraute Umgebung. Ein Ort, den er kannte und den er niemals wiedersehen würde. Zumindest nicht von dieser Seite des Lebens.
»Leise, sonst weckt Betsy noch auf. Sie braucht Ruhe«, mahnte der Wanderprediger mit einem müden, gütigen Lächeln und streckte seine langen Wachsfinger nach Arvel aus.
59. KAPITEL
Harmon Smith band Old Saint von dem Fliederbusch los. Eigentlich wollte er das Pferd sich noch ein bisschen länger an dem welkenden, vom Frost gebräunten Blumenbeet laben lassen, doch Betsy hatte schon genug gelitten. Sie würde die Beschäftigung brauchen, um über den Verlust ihres Mannes hinwegzukommen, dessen Leiche gerade auf dem Küchenboden die Wärme des Lebens aushauchte, gleich neben der Stelle, wo Betsy von den Ziegen angegriffen worden war. Die Rettungskräfte würden vielleicht einen Herzinfarkt diagnostizieren, oder sie würden vermuten, dass er unglücklich gefallen war. Meistens meinten sie einfach: »So ist das eben in Solom.«
Die Rettungskräfte zu rufen war auch so eine sinnlose Erfindung der Sterblichen. Denn es gab nur einen Retter, dessen Hand das Rad der Welt in Bewegung versetzte. Doch von solchen Dingen ließ sich der Wanderprediger nicht beirren. Er erfüllte seinen Dienst, und er war ein guter Diener. Er schwang sich in Old Saints Sattel.
»Na los, alter Knabe«, sagte er und zog sanft an den Zügeln. »Wir haben unsere Bestimmung.« Er musste das Pferd nicht lenken. Das Tier, gut genährt mit Seelen und Grünzeug, kannte seinen Weg. So wie auch Harmon.
Eng ist das Tor und schmal der Weg, der zum Leben führt, zum Licht, zur Wahrheit, zum Himmel. Doch alle Wege sind offen und endlos. Und auf diesen Pfaden ritt der Wanderprediger allein.
ENDE
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Der Autor:
Scott Nicholson ist ein internationaler Bestseller-Autor, der mehr als 20 Romane, 80 Kurzgeschichten, sechs Drehbücher und vier Kinderbücher geschrieben hat. Auf Deutsch erschienen sind u.a. der Gruselthriller „Die rote Kirche“ sowie die Romane „Der Schädelring“, „Ressort: Verbrechen“ und „Tote lieben länger“ (alle drei Titel sind auch gemeinsam in der „Krimi Box“ erhältlich). Seine deutsche Homepage ist AuthorScottNicholson.com .
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Die Übersetzerin:
Sylva-Michèle Sternkopf arbeitet als Werbetexterin und Übersetzerin mit eigener Agentur ( www.sternkopf.biz ) für die großen Firmen dieser Welt. Die Leidenschaft der promovierten Anglistin und dreifachen Mutter gehört jedoch dem Übersetzen von Romanen.
WEITERE BÜCHER DES AUTORS:
DANACH: DER SCHOCK
Scott Nicholson
übersetzt von Stefan Mommertz
Der erste Band der postapokalyptischen Thriller-Reihe DANACH des internationalen Bestsellerautors Scott Nicholson.
Eine gewaltige Sonneneruption hat die technologische Infrastruktur der Erde ausgelöscht und Milliarden von Menschen getötet. Während die wenigen Überlebenden damit beschäftigt sind, sich anzupassen und zu überleben, müssen sie feststellen, dass sich einige von ihnen verändert haben.
Rachel Wheeler ist auf sich allein gestellt in einer Stadt, in der gewalttätige »Zapphirne« in den Straßen herumziehen, um zu zerstören und zu töten. Rachels einzige Hoffnung ist, die Berge zu erreichen, in denen ihr Großvater, ein legendärer
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