Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
anzuschließen. Der Hauptgrund dafür war wohl, dass sie damit keinerlei Verpflichtungen eingingen. Man musste weder das Tanzen noch das Trinken aufgeben – nicht dass bei den Hamptons jemals einer dem Alkohol zugetan gewesen wäre!«
Odus wusste, dass sich dieser Charakterzug offenbar nicht bis in seine Linie durchgesetzt hatte, denn sein Vater hatte es kaum einen Tag ohne Stoff ausgehalten. Doch Odus fand das nicht schlimm, denn der Schnaps machte seinen Vater müde und löste seine Zunge. Wenn er nichts getrunken hatte, fluchte er oft und stapfte wild umher. Deshalb war Odus immer erleichtert, wenn sein Alter den Flaschenverschluss aufschraubte.
»Und so schaffte es Harmon Smith schließlich, seine ersehnte Kirche zu bauen. Fünf lange Jahre brauchte er dafür. In der Zwischenzeit ritt er weiter seine Runden auf seinem Pferd, Old Saint hieß es. Er sammelte Geld, wo er nur konnte, und predigte dabei den Glauben der Primitiven Baptisten. Er nahm sich auch eine Frau, doch sie muss ihm davongelaufen sein, denn es wurde nie wieder etwas von ihr gehört. Danach wurde der Prediger irgendwie seltsam. Er versuchte sich als Bauer, doch sein felsiger Boden war karg. Eines Herbstes legte Harmon einen Steinhaufen an und bedeckte diesen mit vertrockneten Akazienzweigen. Er kniete sich davor und betete. Dann nahm er eins seiner Hühner und hackte …« An dieser Stelle spritzte die Spucke aus Großmutters Mund, weil sie mit der Hand die Bewegung nachahmte. Lonnies Fuß stieß in die Luft, obwohl er eigentlich auf seinem Hinterteil gesessen hatte. »… ihm den Kopf ab, so dass er durch die Luft flog und das ganze Blut auf das Holz tropfte. Dann zündete er die Zweige an und warf das Huhn darauf, so wie im Alten Testament, wenn ein Lamm geopfert wurde. Die Leute begannen zu reden, dachten sich wohl aber, dass Harmon schon wüsste, wie man so etwas tut. Im nächsten Jahr quollen Harmons Felder förmlich über, so fruchtbar waren sie auf einmal. Korn und Kohl und Kürbisse und sogar Früchte, die hier eigentlich nicht so gut gedeihen, wie Melonen und Erdbeeren – alles wuchs wie verrückt. In seiner Kirche predigte er, dass Gott ihm als treuen und bescheidenen Diener zugelächelt habe. Doch im Oktober opferte er einen Ziegenbock auf seinem Opferstein. Sein Ertrag wurde noch besser, so dass er im nächsten Herbst eine Kuh opferte. Er stapelte das Holz auf dem Steinhaufen mannshoch, damit die Hitze auch ausreichte.«
»Hielt ihn denn niemand für verrückt?«, fragte Debbie, die Odus einmal ihre Unterhöschen zeigen wollte. Die Nacht lag dunkel und schwer über ihnen, wie eine dicke, schwarze Decke, die von glitzernden Sternennägeln festgehalten wurde.
»Natürlich hielten ihn manche für verrückt, doch sie dachten wohl, wenn Abraham Opfergaben verbrennen konnte, konnte es auch Harmon Smith. Dann aber kamen andere Wanderprediger vorbei, und es häuften sich Gerüchte, dass sie es gar nicht so gut fanden, wie der alte Harmon sich hier eingerichtet hatte. Sie waren ›aufgeklärt‹ und hielten nicht viel von den alten Methoden. Besonders der Methodistenpriester schien zu fühlen, wie Gott ihn mit starker Hand auf dieses Gebiet drängte – als ob es nur einen einzigen rechten Weg gäbe, wie wir Leute aus den Bergen an Gottes Herrlichkeit teilhaben können.«
Als Großmutter Hampton das Wort »Herrlichkeit« aussprach, machte sie eine bedeutungsvolle Pause, so dass sich die Kinder alles gut auf der Zunge zergehen lassen konnten. Sie spuckte inzwischen die braunen Reste ihres Kautabaks aus. Schenkte man ihren Erzählungen Glauben, konnte man fast Angst davor kriegen, in den Himmel zu kommen, denn wie es klang, standen ganze Heerscharen von Wanderpredigern wachend vor dem Himmelstor.
»Eines Morgens im November, als Harmon Smith einen Gottesdienst halten sollte, kam sein Pferd Old Saint allein den Snakeberry Trail herunter. Der Sattel war leer.« An dieser Stelle machte Großmutter Hampton eine sanfte Bewegung zu den Drei Bergen hinüber, und Odus konnte fast das Klappern der Hufeisen hören, die über den felsigen Boden und die Wurzeln der Ahornbäume klackerten. »Ein paar Männer gingen hinauf in die Berge, um nach ihm zu suchen. Am Bach fanden sie Spuren eines Kampfes. Seine Leiche aber wurde nie gefunden. Euer Vorfahre Robert war der Meinung, dass er von einem Puma gefressen wurde. Andere sagen, dass Harmon ins Wasser gegangen und von einem Strudel hinabgezogen worden sei, bis er ganz seifig war.«
»Ekelhaft«, würgte
Weitere Kostenlose Bücher