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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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mitbringen!«), doch an den original handgenähten Cherokee-Ledermokassins für 29,95 war er nicht vorbeigekommen.
    »Hast du noch Wasser?«, fragte er. Er hatte sein letztes Wasser gebraucht, um seine Wunden auszuspülen.
    »Bisschen noch«, antwortete sie. Auch wenn sie sich keine Illusionen machte, dass sie schon bald wieder in ihrer gemütlichen Hütte sein würden, glaubte sie nicht, dass sie schon an dem Punkt waren, wo sie sich ihre Wasservorräte einteilen mussten. Sie reichte ihm ihre Flasche und er nahm einen kräftigen Schluck.
    »Also los, packen wir’s an!«, sagte er und schob sein Rad den Berg hinab. Es war gerade noch hell genug, um zu sehen, wie sich der dunkle Pfad vom dichten Teppich der Bodendecker abhob. Sie steckte die Karte in die Tasche ihrer Radlerhose und lief hinter ihm her, das Rad gegen ihre Hüfte gelehnt.
    Sie waren etwa eine Viertelstunde gelaufen, als die unsichtbare Sonne hinter dem Horizont verschwand und auf der anderen Seite der Erde die Morgendämmerung begann. Elliott knipste seine Kugelschreibertaschenlampe an. Der schwache Schein hinterließ an der schwarzen Wand des Waldes kaum eine Spur.
    »Kannst du dich noch an die großen Felsbrocken erinnern, an denen wir vorhin vorbeigefahren sind?«, fragte Carolyn. Es war das erste Mal seit ihrem Aufbruch, dass sie etwas sagte.
    »Ja.«
    »Daran hätten wir jetzt schon vorbeikommen müssen.«
    »Die sind wahrscheinlich weiter oben. Wir befinden uns jetzt auf einer anderen Höhe.«
    »Was heißt hier ›wahrscheinlich‹?«
    Er ließ das flackernde Licht ein Stück nach rechts tanzen. »Ganz sicher, Schatz. Dort oben. Wir sind bald an dem Bach, und dann können wir überlegen, ob wir dem Bachlauf hinunter zum Fluss folgen oder ob wir lieber auf dem Weg bleiben.«
    Es war das erste Mal, dass er so tat, als ob ihre Entscheidungen auf Gegenseitigkeit beruhten. Sie hätte das als einen billigen Triumph deuten können, doch in Wirklichkeit machte es ihr mehr Angst, als sie zugeben wollte. Sie drehte sich um, in der Hoffnung, den Weg von vorhin wiederzuerkennen, doch sie sah nichts außer Nussbäumen und alten Eichen, die wirkten wie Hexen mit wild ausgestreckten Armen.
    »Komm, machen wir schneller«, sagte sie. »Mir wird langsam kalt.«
    Die bunten Nylonanzüge pressten zwar die Figur vorteilhaft in Form, doch sie waren atmungsaktiv, damit der Schweiß schnell trocknete. Leider funktionierte der Luftaustausch in beide Richtungen, so dass der Wind, der mit der Dämmerung aufkam, sich sofort seinen Weg durch das dünne Material bahnte.
    »Ich glaube, diese Kiefern hier habe ich vorhin auch gesehen«, bemerkte ihr Mann. Da er die Hand mit der Taschenlampe am Lenker hatte, hüpfte der Lichtkegel vor ihnen auf und ab. Wie bei einem Singspiel im Kinderfernsehen, bei dem man einem leuchtenden Hüpfball folgen muss. »Highway to Hell« von AC/DC würde besser passen, dachte Carolyn.
    Etwa eine Minute später – obwohl die Zeit auf dieser schier endlos scheinenden Wanderung ihre Bedeutung zu verlieren schien – hörte Carolyn die Geräusche hinter sich. Zuerst dachte sie, es wäre nur das Echo ihrer Schritte, oder das Flüstern des Windes, der durch die Speichen ihrer Räder fuhr. Sie atmete ganz leise durch den Mund, das heißt, so leise sie konnte angesichts der Tatsache, dass sie hundemüde war, ziemlich angenervt und mehr als ein bisschen ängstlich. Sie hörte Blätterrascheln. Irgendetwas bewegte sich. Es musste größer als ein Eichhörnchen sein. Äste brachen unter seinen Schritten, Erde wurde aufgewirbelt.
    Sie schob ihr Rad näher an Elliotts heran, bis ihr Vorderrad seinen Hinterreifen streifte.
    »Mensch, Carolyn, willst du mich umfahren?«
    »Ich hab was gehört!«
    »Ich höre jede Menge Sachen. Stand doch im Reiseführer: ›In den südlichen Appalachen sind viele Nachttiere unterwegs.‹ Aber keine Angst: Dank der Siedler aus Europa sind alle großen Raubtiere ausgerottet. Ergo nichts zu befürchten.«
    »Können wir mal kurz anhalten und lauschen?«
    »Jede Minute, die wir anhalten, ist eine Minute, die uns fehlt.«
    »Ich dachte, uns fehlt nichts …«
    »Es ist auch alles in Ordnung. Wir müssen uns nur neu orientieren.«
    »Wollen wir nochmal probieren, ob das Handy geht?«
    »Kein Empfang. Das Signal ist so tot wie der Pimmel eines Maultiers.«
    Zehn Minuten später waren sie am Bach. Das Gluckern des Wassers und die feuchte, kalte Luft verrieten ihnen schon vorher, dass er in der Nähe war. Das Licht des Kugelschreibers

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