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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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Lonnie.
    »Wieder andere behaupten, dass er nie gestorben sei. Sie sagen, dass er ungefähr alle zehn Jahre zurückkehrt, um einen Toten auf seinen Opferstein zu legen. Bloß dass es jetzt keine Tiere mehr sind.«
    »Was denn dann?«, fragte Walter Buck. Er sprach leise und ehrfürchtig und vielleicht auch ein ganz kleines bisschen ängstlich.
    »Nun ja. Für seinen Garten braucht Harmon Smith am besten einen ungezogenen Jungen.«
    Damit erhob sich Großmutter Hampton mit einem Knarren, das sowohl von ihrem Atem als auch von ihrem Holzstuhl herrührte. Sie nahm ihren Stock und ging zur Fliegentür. Dann hielt sie inne, warf noch einen Blick auf die Berge und sagte: »Gott sei Dank bin ich schon alt. Da brauch ich nicht mehr so viel Angst zu haben.«
    Sie ging hinein. Ihr Schaukelstuhl wippte noch nach und flüsterte in die Nacht – mit einer Sprache, die seit zweihundert Jahren verloren schien.
    Odus hatte diese Geschichte niemals vergessen. Wie oft hatte er nachts allein auf einem dunklen Pfad oder einer Wiese gestanden und sich vorgestellt, wie Harmons Pferd Old Saint von den Drei Bergen heruntergeprescht kommt. In seiner Fantasie saß ein seifiger, aschfahler Körper auf dem Pferd. Der Kopf mit dem schwarzen Hut wackelte beim Reiten hin und her. Denn jedem, der einmal gehört hatte, wie Großmutter Hampton die Geschichte vom Wanderprediger erzählte, fiel es nicht schwer zu glauben, dass Harmon Smith noch immer seine Kreise zog.

 
     
     
    23. KAPITEL
     
    Elliott war ein Vollidiot. Normalerweise dachte Carolyn Everhart nicht in solch rüden Worten über ihren Mann, doch er hatte den gesamten Urlaub nichts anderes im Sinn, als seinen Testosteronüberschuss unter Beweis zu stellen. Vom Mietauto (»Komm, wir nehmen eine Karre, wie sie die harten Kerle fahren!«) bis hin zur Auswahl der Restaurants an der Strecke. Auf jede ihrer Fragen gab er eine patzige Antwort und wusste immer alles besser. Je weiter sie auf ihrem Weg über die ausgetretenen Pfade der Appalachen nach Süden vordrangen, umso dicker wurde die Schmalzschicht in Elliotts Ohren, und er hatte sich einen Bart zugelegt, wie ihn die Menschheit seit den Neandertalern nicht mehr gesehen hatte.
    Dass die Wahl auf Solom gefallen war, war mehr oder weniger Zufall gewesen. Einer von Elliotts Arbeitskollegen bei PAMCO Engineering, der an der Westridge University studiert hatte, hatte ihm erzählt, dass die Berge in North Carolina noch ziemlich urwüchsig waren (»Der perfekte Ort, um für ein Weilchen alles hinter sich zu lassen, ohne auf etwas verzichten zu müssen.«) Nach kurzer Suche im Internet reservierte Elliott mit seiner Kreditkarte eine Woche Urlaub in Happy Hollow. Da im September die Laubfärbung begann, kosteten die Hütten ein kleines Vermögen. Zwei Tage dauerte die Reise von White Plains, sie schliefen eine Nacht im Holiday Inn in Scranton, Pennsylvania (»Und ›schlafen‹ nehmen wir mal nicht so wörtlich, was Baby?«). Während der Fahrt waren sie sich nicht ein einziges Mal wegen der Straßenkarte in die Haare geraten.
    Doch jetzt hier in der Dämmerung wollte Elliott auf Biegen und Brechen nicht auf die Karte schauen, geschweige denn zugeben, dass sie sich verfahren hatten. Die kleine Karte, die sie von dem Fahrradverleih mitgenommen hatten, hatte ihren Dienst getan, solange sie auf der Straße entlang des Flusses geblieben waren. Sie war flach, mit leichten Kurven. Doch dann hatte Elliott darauf bestanden, ein bisschen »offroad« zu fahren, wie er es nannte. Eigentlich hatte sie nach zwei Stunden schon langsam Krämpfe in den Beinen, und die Temperatur war auf unter fünf Grad gefallen. Doch sie beklagte sich nicht, sondern bemerkte nur, dass die Räder eigentlich Rennräder und keine Mountainbikes waren. Aber es war zu spät. Er hatte sich von dem verheißungsvollen Namen »Switchback Trail«, was so viel bedeutete wie »Serpentinenpfad«, einwickeln lassen. Dann machte er ihr noch ein Kompliment über ihren Knackarsch in der engen Radlerhose und sammelte damit ein paar Pluspunkte.
    Elliott bretterte einen Waldweg hinunter, der so schmal war, dass gerade mal ein Fuchs darauf schnüren konnte. Zweimal gabelte sich dieser Pfad, führte über einen kleinen Bach und umrundete dann ein paar riesige Felsbrocken, die urplötzlich wie ein hinterwäldlerisches Stonehenge aus dem Schoß von Mutter Erde emporsprangen. Zwei Gabelungen später (»Welchen Weg sollen wir nehmen: den Unbegangenen oder ›Den Wunderbaren Weg‹, wie von den Dichtern

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