Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
Vom Netzwerk:
das Rote Kreuz. Eine nette kleine Steuersparmöglichkeit, die ihr Geld doppelt und dreifach wieder einbrachte.
    Bevor Sue nach oben ging, zählte sie jeden Tag die Räder. Zwei waren noch unterwegs. Auf den Anmeldescheinen stand, dass sie an Frau und Herrn Elliott Everhart aus White Plains, New York, vermietet worden waren. Yankees, so wie sie. Sue stammte aus Connecticut, hatte an der University of Georgia einen Abschluss in Sportwissenschaften gemacht und dann drei Jahre in Athens als Assistenztrainerin der Frauenhockeymannschaft gearbeitet. Dabei hatte sie sich den langsamen Dialekt mit den gedehnten Vokalen der Südstaaten zugelegt. Immer wenn sie betrunken war, kam er wieder durch, so dass sie dann problemlos als Südstaatlerin durchging.
    Mit fünfundzwanzig hatte sie die Namen aller ihrer Lieblingsberge auf einen Zettel geschrieben. Dann hatte sie die Liste in kleine Streifen geschnitten, in einen Hut gelegt und einen gezogen. Solom stand zwar nicht auf der Liste, aber es war der nächstgelegene Ort zum Pisgah Nationalpark, wo sich Table Rock und Wiseman’s View befanden. Nun war Klettern nicht gerade ein Freizeitsport, mit dem sich viel Geld verdienen ließ – schließlich brauchte man dazu nicht viel mehr als einen Felsen und die richtige Einstellung. Aber Solom lag an einem Fluss. Und so gründete sie ihren Outdoor-Laden Mother Nature Outfitters, der sich seitdem stetig auf Wachstumskurs befand. Das Kuriose war nur, dass sie in den letzten Jahren so viel Zeit und Energie in ihr Geschäft gesteckt hatte, dass sie selber kaum noch raus in die Natur gekommen war.
    Die Everharts. Sue erinnerte sich an sie, weil der Mann, Elliott, ihren nördlichen Dialekt erkannt und sie darauf angesprochen hatte. Den Namen der Frau hatte sie vergessen. Es war eine stille, gertenschlanke Blondine gewesen, die nicht viel sprach und generell von der Vorstellung, aus eigener Kraft durch die Botanik radeln zu müssen, nicht sehr angetan zu sein schien. Sie hatten die Räder gegen zwei ausgeliehen und wollten etwa um sechs Uhr wieder zurück sein.
    Elliott hatte ihr erzählt, dass sie eine kleine Berghütte über dem Tante-Emma-Laden gemietet hätten. Von dort waren sie heruntergelaufen, damit sie Sues kleinen Parkplatz nicht blockierten. Sue hatte sich mit einem höflichen »Thank you kindly« bedankt. Das sagte man so im Süden, mit den Jahren kam ihr die gekünstelte Floskel immer leichter über die Lippen. Dann schickte sie das Paar los, aber nicht, bevor sie ihnen ein paar Flaschen Wasser zu zwei Dollar pro halbem Liter und eine Karte verkauft hatte. Sue schaute auf die Uhr über der Eingangstür, die immer zur vollen Stunde den typischen Gesang eines einheimischen Vogels von sich gab. Der Zeiger stand zehn Minuten vor dem Rotkehlchen, fast zwei Stunden später, als die Everharts wieder zurück sein wollten.
    Manchmal hatten die Radler einen Platten. Das passierte allerdings sehr selten, denn Sue hielt die Ausrüstung gut in Schuss. Jeder, der bei ihr etwas mietete – ob Gaslaterne, Kajak oder Rennrad – musste ein Formular unterschreiben, das Mother Nature Outfitters von jeglicher Verantwortung befreite. Das hieß jedoch nicht, dass die Leute keinen Mist bauten. Besonders nicht die wohlhabenden, oberflächlichen Typen, die für gewöhnlich Sues Kundschaft ausmachten. Selbst wenn die Everharts eine Panne hatten oder sich verfahren hatten, dann hätten sie nach Solom zurücklaufen können. Oder sie hätten jemanden angehalten oder vom Handy aus angerufen, um Hilfe zu holen.
    Allerdings wusste Sue, dass in jedem dieser Fälle auch etwas schiefgehen konnte. Schließlich hatte sie alles schon mal erlebt. Manchmal verirrten sich die Radler bei ihrem Fußmarsch zurück nach Solom. Wenn man lief, war man viel langsamer als mit dem Rad, so dass die Karten nicht mehr realistisch erschienen. Auch per Anhalter bekam man nicht immer jemanden, der einen mitnahm, denn nach der Dämmerung waren in Solom einfach nicht mehr so viele Autos unterwegs. Und alle, die nicht von hier waren, hüteten sich in der Regel davor, jemanden in leuchtender Radlerkluft und mit außerirdisch anmutenden Fahrradhelmen mitzunehmen. Handys waren in Solom fast durch die Bank nicht zu gebrauchen, denn die Täler waren tief, und die alteingesessenen Familien, denen die hohen Berge gehörten, hatten sich noch nicht breitschlagen lassen, Funktürme setzen zu lassen.
    Sue kam noch eine vierte Möglichkeit in den Kopf. Die Everharts waren so Anfang bis Mitte dreißig

Weitere Kostenlose Bücher