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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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der Zivilisation zurückkehren können.«
    Keine drei Meter vor ihnen raschelten die Blätter hinter einem knorrigen Busch. Carolyn überwand ihren Stolz, rutschte an Elliott heran und klammerte sich an seinen Arm. Sein Körper versteifte sich, er lächelte glatt.
    »Ich hol uns hier raus«, sagte er. »Hab ich dich schon jemals ...«
    An dieser Stelle erlosch das Licht der Taschenlampe. Die Dunkelheit brach über sie herein wie ein Wasserstrom, der flutartig in eine kaputte Tiefseetaucherkugel eindringt. Fast schien es, als ob das Licht die anderen Geräusche der Nacht verschluckt hätte. Plötzlich war die Luft erfüllt von Rascheln, Knistern und Kratzen. Und dazwischen das Raspeln von Atemzügen.
    Carolyns Augen hatten sich gerade an das fahle Mondlicht gewöhnt, als sie den großen schwarzen Schatten wahrnahm, der sich hinter Elliotts Rücken erhob. Dann wurde ihr Mann aus ihrer Umklammerung gerissen. Er gab ein erschrockenes Gurgeln von sich, als ob mitten in seinem versteinerten Gesicht plötzlich ein Wasserfall entsprungen wäre. Er knallte mit dem Bein gegen ihre Kniescheibe und stieß einen Schmerzensschrei aus. Etwas Flüssiges spritzte auf Carolyn. Sie schrie aus Leibeskräften.
    Die Luft über ihrem Kopf bewegte sich. Sie schaute nach oben und sah ein rundes, metallisches Grinsen, das in das ferne Auge des Mondes schlug. Das Grinsen kam tiefer und biss zu. Man konnte förmlich hören, wie sich seine Zähne in das Fleisch bohrten. Carolyn schoss durch den Kopf, dass dieses Fleisch ihr Mann sein musste, der arrogante Ingenieur mit seiner Vorliebe für College-Football, den Bush-Clan, Plasmafernseher und Arzneivorräte.
    Ihr Schrei aktivierte die Nervenbahnen von ihrem Gehirn bis zu den Nervenknoten in ihrem Rückenmark. Dort hatte die Natur vor Urzeiten den Fluchtreflex verschlüsselt. Zu einer Zeit, als Flucht Überleben bedeutete und die höheren Denkprozesse ihr nutzloses Gejammer verstummen ließen.
    Sie rannte blind drauflos. Zweige zerrten an ihren Haaren. Sie achtete nicht darauf, wohin der Weg führte. Das feuchte Keuchen hinter ihr hielt an, doch sie hörte es kaum. Ihre Ohren schützten ihren hochentwickelten Geist. Sie war jetzt ein Tier, das sich seinen Weg durch die Blätter bahnte, geleitet vom Instinkt. Sie duckte sich unter den Ästen hinweg und schlängelte sich zwischen schuppigen Eichen und Buchen hindurch. Sehen konnte sie nichts, aber das brauchte sie auch nicht, denn ihre Augen waren nichts weiter als tote Gummibälle in ihrem Schädel. Was sie vorwärts trieb, war weitaus primitiver als die Sehkraft. Ihr ganzes Wissen saß unter ihrer Haut, der Geist hatte sich dem Fleisch ergeben. Sie nahm nichts wahr als das Rauschen des Windes, der durch ihre Kehle pfiff, und das Hämmern in ihren Schläfen und das dunkle scharfe Ding in ihrem Rücken und …
    Sie sah nicht den tief hängenden Ahornast, denn sie hatte die Augen geschlossen. Was sie sah, waren die leuchtend gelb-grünen Funken, die plötzlich hinter ihrer Stirn aufstoben wie ein Feuerwerk auf der Kinoleinwand.
    Carolyn war bewusstlos, als sich die Ziegen über sie hermachten. Ihr nutzloser, intelligenter Geist blieb gnädigerweise abwesend, als ihr blaues Republikanerblut das Land der Legenden tränkte.

 
     
     
    24. KAPITEL
     
    Der Gemischtwarenladen war voll. Einheimische und Touristen drängten sich in dem kleinen Geschäft. Odus stand am Sandwichregal, sein Basecap auf dem Kopf und einen Zahnstocher zwischen den Zähnen. Er wartete, während Sarah die Einkäufe eines schwammigen Typen in zu engen Radlerhosen und ärmellosem T-Shirt in die Kasse tippte. Seine verbrannten Schultern schälten sich, typisch für einen verwöhnten Jungen aus der Stadt, der im Urlaub plötzlich zu viel Sonne abkriegt. Neben ihm stand sein Vater in einem hautengen roten Anzug, der wohl sportlich wirken sollte, in Wirklichkeit aber aussah wie eine Wurst, die jeden Moment platzen will. Sarah steckte die Beute des Jungen in eine Tüte: Schokoriegel, Schweineschwarten und Lutscher.
    Im Park auf der anderen Straßenseite spielte eine Countryband. Ein Solomer Verein hatte anderthalb Hektar Land am Fluss gekauft. Am Ende der Wiese war eine Konzertmuschel aufgebaut. Von Sommeranfang bis Ende Oktober fand im Park jede Woche eine Veranstaltung statt. Es gab entweder Country- oder Folkmusik, auch wenn in Sarahs Laden ab und zu Diskussionen zu hören waren, was eigentlich der Unterschied zwischen diesen beiden Musikrichtungen sei. Manchmal schnappte sich auch

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