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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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können, ist, uns einfach ins Bett zu legen, bis er weitergezogen ist.«
    Der Mann schüttelte den Kopf. Die Kälte des Flusses war ihm in die Knochen gezogen, seine Lippen begannen zu zittern. Auf der hölzernen Veranda erklangen Schritte. Die Tür ging auf und Sue Norwood trat herein, mit einem Kletterpickel in der Hand.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Sue in Sarahs Richtung und hob den Kletterpickel, als wüsste sie damit recht gut umzugehen.
    Der Mann hob die Hände, als ob er sich ergeben wollte. »Ich wollte gerade gehen.«
    Sue schaute zu Sarah, diese nickte. Sarah war hundemüde. Auf ihren alten Schultern lasteten achtzig Jahre Kampf gegen die Schwerkraft, Angst und Sorgen. Wen kümmerte es schon, wenn Harmon kam und sie holte? Eine alte jüdische Ladenbesitzerin weniger würde den Lauf der Welt in keinster Weise beeinflussen.
    Der Mann bahnte sich seinen Weg an Sue vorbei. Seine nassen Socken schlappten wie glitschige Fische über den Boden. Als er weg war, ließ sich Sarah auf den kleinen Schaukelstuhl hinter ihrem Ladentisch fallen.
    »Das ist auch meine Stadt, selbst wenn ich erst seit ein paar Jahren hier wohne«, sagte Sue. »Ich werde den Wanderprediger suchen gehen.«
    »Sie und alle anderen«, entgegnete Sarah. Auch wenn sie das Gefühl hatte, dass sie gar nicht lange suchen mussten. Harmon Smith hatte sein Pferd gefunden. Und das bedeutete nichts anderes, als dass er schon bald wieder seine Runden drehen würde.

 
     
     
    37. KAPITEL
     
    Die Arbeit als Gärtner hatte Spuren auf David Testers Händen hinterlassen, er hatte viele Schwielen. Doch kurz bevor er das Grab von Harmon Smith erreichte, erschien eine Blase an seinem linken Handballen. Je tiefer er den Spaten in den Boden stieß, umso dunkler wurde die Erde und stank irgendwie verfault. Wenn Harmon hier wirklich seit zweihundert Jahren begraben lag, dann wäre der Sarg längst verrottet. Und so würde er im Grab wahrscheinlich nichts weiter finden als ein paar alte Knochen. Damals hatten sie ja auch nicht die modernen Möglichkeiten zur Leichenkonservierung gehabt. Aber so zu denken war auch wieder falsch. Smith gehörte nicht zu einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit. Schließlich stattete der Wanderprediger seiner Gemeinde Solom in jeder Generation einen neuen Besuch ab.
    Endlich stieß der Spaten auf etwas Weiches. David schaute in den Himmel. Das Loch, das er gegraben hatte, war nicht so schön gerade und viereckig, wie es professionelle Totengräber machten, wenn sie einen Sarg suchten. Davids Loch war schief und unförmig. Überall lagen Wurzeln und Steine herum, die ihn auf seinem Weg nach unten behindert hatten. Der Holzdeckel des Sarges war durchgeweicht, doch der Lehmboden hatte ihn in gewisser Weise konserviert. David kämpfte sich mit dem Spaten durch den Deckel. Für das, was er suchte, musste er nicht den gesamten Sarg öffnen. Also stieß er den Spaten mehrmals hart auf. Der laute Klang der Schläge wurde durch die Erdwände an beiden Seiten des Loches abgedämpft. Dann gab das Holz nach, und David drehte das Spatenblatt hin und her, damit die Öffnung im Deckel größer wurde.
    Aus dem verlassenen Sarg stieg ein verwester Gestank, wie faule Eier, die in Formaldehyd gebraten worden waren und mit verdorbenem Schweinefleisch serviert wurden. David zog ein Tuch aus seiner Hosentasche und band es um Mund und Nase. Er wollte gerade nach der Schaufel greifen, als die feuchten Bretter unter seinen Füßen nachgaben.
    Er stürzte bis zu den Knien in das Loch. Der widerwärtige Gestank erfüllte alles um ihn herum. Unter seinen Stiefeln spritzte der Schlamm. Er krallte sich an den Lehmwänden fest und versuchte sich hochzuziehen, doch durch sein Gezappel löste sich der Dreck an den Rändern des Erdlochs. Erdklumpen prasselten auf ihn nieder und fielen auf seine Schultern.
    »Suchen Sie etwas?«
    Die Stimme schien von oben und unten gleichzeitig zu kommen, wie aus einem skurrilen Lautsprecher in weiter Ferne. David erkannte die Stimme. Es war dieselbe wie letzte Nacht. Er schaute auf und sah über sich den Wanderprediger, der auf seinem sagenumwobenen Pferd saß. Er stand mit dem Rücken zur Sonne, vor strahlend blauem Nachmittagshimmel, wie der einsame Cowboy in einem alten Western. Sein Gesicht lag im Schatten.
    David sank noch einmal einen halben Schritt tiefer. Das verfaulte Holz zerkratzte seine Schenkel. Er packte die Schaufel und legte sie über den zerbrochenen Sargdeckel, in der Hoffnung, den Fall dadurch aufzuhalten. So

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