Solomord
tun?«
Brandt zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, aber ganz koscher ist der nicht. Geerbt? Nie im Leben. Der macht bestimmt irgendwelche krummen Geschäfte.«
Diesmal öffnete ihnen Sabine Roeder persönlich. Sie sah blass aus, ihre Augen gerötet. Ihr Sohn sei kurz zur Apotheke gegangen.
Sie nahmen im Wohnzimmer Platz. Frau Roeder bot ihnen etwas zu trinken an, doch sie lehnten dankend ab.
»War das Fernsehteam schon bei Ihnen?« Sie nickte und blickte dabei auf ihre Hände, in denen sie wieder den Teddy hielt.
»Wann wird der Aufruf gesendet?«
»Heute Mittag und dann noch einmal in den Abendnachrichten.«
»Frau Roeder, mein Kollege hat gestern Abend Ihren Exmann aufgesucht. Sie wissen, wo er sich momentan aufhält?« Sie nickte wieder, ohne ihren Blick von dem Teddy zu lösen.
»Und Kontakt haben Sie keinen mehr zu ihm?« Kopfschütteln.
»Frau Roeder, wir verstehen, dass Sie momentan nur an Michelle denken können, aber wir sind auf Ihre Mithilfe angewiesen.« Die Frau hob langsam ihren Blick, doch statt Trauer sprühte ihnen purer Hass entgegen.
»Ich will mit dem Dreckskerl nichts mehr zu tun haben!«, schrie sie plötzlich. »Ich war es schließlich, die ihn angezeigt hat. Viel zu lange habe ich damit gewartet und mir seine miesen Geschäfte mit angeschaut. Aber wenn ich damals nicht eingeschritten wäre, hätte er auch noch unsere Tochter …« Sie schluckte, dann flüsterte sie: »Bilder hatte er jedenfalls schon von ihr gemacht.«
Brandt wurde hellhörig. »Wo sind die Bilder jetzt?«
»Ich habe sie verbrannt!«
»Und die Abzüge?«
Sie zuckte mit den Schultern, aber Brandt witterte eine Spur.
»Können Sie sich vorstellen, dass Ihr Exmann etwas mit dem Verschwinden von Michelle zu tun hat? Hat er noch Kontakte? Gab es vielleicht Anzeichen, die darauf hinwiesen, dass er irgendetwas im Schilde führte? Hat er Andeutungen …«
»Hören Sie auf«, schrie Sabine Roeder unvermittelt und hielt sich energisch die Ohren zu. Sie konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass sich ihre Tochter in den Fängen irgendeines Kumpanen ihres Exmannes befand.
»Frau Roeder, bitte. Wenn Sie etwas wissen, müssen Sie es sagen.« Brandt berührte die Frau leicht am Arm. Sie zuckte zusammen.
»Ich kann nicht, ich kann nicht«, schluchzte sie und sprang auf.
»Bitte finden Sie meine Tochter!«
Ihr verzweifelter Blick traf ihn im Innersten. Er konnte gut nachvollziehen, was in ihr vorging, und fragte sich, wie er reagieren würde, wenn es Lore gewesen wäre, die plötzlich spurlos verschwunden war. Wäre er in der Lage, über Anzeichen oder Hinweise nachzudenken? Oder würde die Angst ihn lähmen, unfähig machen, an etwas anderes als den Verbleib des geliebten Kindes zu denken?
Er stand auf und verabschiedete sich.
»Wir werden alles tun, um Ihre Tochter so schnell wie möglich zu finden.«
Von der Wohnung der Roeders fuhren sie direkt zum Grafenberger Wald. Vom Staufenplatz aus wanderten sie zur ›Schönen Aussicht‹ hinauf. Brandt schnaufte dabei wie ein Walross, während sein um einige Jahre jüngerer Kollege mühelos die steile Anhöhe erklomm.
»Du solltest mehr Sport treiben!«
Früher war er trotz seiner Leibesfülle regelmäßig im Wald laufen gegangen, doch seit er mit dem Fahrrad fuhr, hatte er damit aufgehört. Er hatte gedacht, Rad fahren würde ausreichen, um seine Kondition zu erhalten. Ein Irrtum, wie sich jetzt herausstellte.
Trotz des leicht diesigen Wetters hatte man von hier oben einen wunderbaren Blick auf die Stadt, doch sie hatten kaum Zeit, die Aussicht zu genießen. Schon trat einer der Einsatzleiter auf sie zu und erstattete Bericht. Eine knappe Handvoll Hundertschaften aus Düsseldorf und Umgebung durchkämmte das Waldgebiet. Bisher jedoch ohne jeden Erfolg.
»Sind Deckers Leute auch hier?« Der Beamte schüttelte seinen Kopf.
»Die sind gestern an den Rheinwiesen nicht mehr fertig geworden. Ist auch ein riesiges Gebiet. Der Hubschrauber fliegt heute zusätzlich am Rhein. Hier hat das wenig Sinn.« Er blickte in den grünen Blätterhimmel über ihnen, der einen Hubschraubereinsatz sinnlos machte.
»Morgen fliegt er dann mit uns.« Teichert und Brandt blickten den Polizisten fragend an. »Wenn wir hier fertig sind, gehen wir rüber zur Wohnung der Kleinen, zum Nordfriedhof und die angrenzenden Wohngebiete. Es sei denn, wir finden sie vorher. Habt ihr denn etwas Neues?« Die beiden verneinten. Die wenigen Hinweise, die bisher aus der Bevölkerung gekommen waren, hatten
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