Solomord
verängstigen!«
Er nickte. Wahrscheinlich war es besser, wenn er und seine Kollegen die ersten Gespräche den Lehrern überließen. Panik an den Schulen und unter Eltern und Schülern konnten sie tatsächlich momentan am allerwenigsten gebrauchen. Außerdem gab es noch genügend anderes zu tun. Er reichte ihr seine Visitenkarte mit der Nummer aus dem Präsidium.
»Nur für alle Fälle!«
»Wo hast du das Geld her?« Sabine Roeder starrte auf den Umschlag, den ihr Sohn vor sie auf den Tisch gelegt hatte. Er zuckte mit den Schultern. »Ist doch egal. Nimm es einfach!«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich will wissen, wo du es herhast!«, schrie sie ihn an. Ihre Nerven lagen blank. Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan.
»Sieh es einfach als eine Nachzahlung vom Alten an!« Martin Schulz drehte sich um und nahm eine Milchflasche aus dem Kühlschrank. Er schraubte den Verschluss auf und trank direkt aus der Flasche.
»Bist du nun auch schon in so krumme Dinger wie Harald verwickelt? Ich will das nicht!« Sie schluchzte und schob den Umschlag von sich.
»Aber …« Das Klingeln der Wohnungsglocke unterbrach seinen Widerspruch.
»Das sind bestimmt die Leute vom Sender.« Sie sprang auf und verließ mit eiligen Schritten die Küche.
Wie selbstverständlich breitete sich das Fernsehteam im Wohnzimmer der Familie aus. Möbel wurden gerückt, Scheinwerfer positioniert, eine Dame schminkte Frau Roeder.
»Haben Sie vielleicht eine Lieblingspuppe oder ein anderes Spielzeug von Michelle?« Die Mutter blickte den Mann vom Sender irritiert an, der knapp mit »Das kommt besser« seine Frage begründete.
Sabine Roeder lief ins Zimmer ihrer Tochter und erschien kurz darauf mit einem braunen Teddy in der Hand wieder im Wohnzimmer.
»Den hat Michelle zu ihrem ersten Geburtstag bekommen. Ohne den …« Tränen erstickten den Rest ihres Satzes. Die Dame mit der Schminke eilte herbei und erneuerte das Make-up.
Der Mann vom Fernsehen reichte ihr ein Blatt, auf dem der Text für ihre Ansprache stand. »Sprechen Sie langsam und deutlich.«
Die Buchstaben tanzten vor ihren Augen, sie konnte sich nicht konzentrieren. »Ich weiß nicht, ob ich das kann«, flüsterte sie.
»Denken Sie an Ihre Tochter. Tun Sie es für Michelle!«
Die Scheinwerfer flammten grell auf, sie sah das rote Lämpchen an der Kamera aufblinken, der Text war vergessen.
»Wenn Sie meine Tochter Michelle haben, bitte lassen Sie sie frei! Ich brauche mein Mädchen und sie braucht mich, bitte! Bitte tun Sie ihr nichts. Sie ist doch noch so klein. Bitte!« Ihre Lippen zitterten. Der Kameramann nickte. Sie holte tief Luft.
»Michelle ist so ein liebes Mädchen. Sie hat niemandem etwas getan. Bitte, wenn Sie wissen, wo meine kleine Prinzessin ist, helfen Sie mir. Helfen Sie mir bitte! Bringen Sie mir meine Michelle zurück!«
Sabine Roeder brach in Tränen aus, das Licht der Kamera erlosch.
»Das war viel besser als unser Text. Jetzt noch das Interview mit Ihrem Sohn.« Der Mann ließ sich von ihren Tränen nicht beeinflussen. Martin Schulz stand im Türrahmen und hatte das Geschehen sprachlos verfolgt. Nun setzte er sich zu seiner Mutter, legte seinen Arm um sie.
»Sehr schön. Brigitte, kannst du noch mal nachpudern?«
Die Dame vom Sender rückte wieder mit ihrem Schminkköfferchen näher. Sabine Roeder saß wie versteinert auf dem Sofa und ließ sich mit der Puderquaste übers Gesicht fahren. Dann blinkte wieder das rote Lämpchen und der Fernsehreporter stellte einige Fragen, die hauptsächlich von Martin Schulz beantwortet wurden. Nach einer halben Stunde war das skurrile Geschehen im Wohnzimmer der Roeders beendet, die Leute vom Fernsehen packten ihre Gerätschaften zusammen.
»Vielen Dank und alles Gute!«, verabschiedete sich der Leiter des Fernsehteams. Für ihn war es nur ein Job.
Martin Schulz rückte die Möbel wieder an Ort und Stelle und brachte seiner Mutter ein Glas Wasser. Immer noch saß sie wie versteinert auf dem Cordsofa. In der Hand hielt sie Michelles Teddy.
»Mama?«
Sabine Roeder blickte ihren Sohn an. In ihren Augen konnte er Angst erkennen. »Sie finden sie sicher«, versuchte er, tröstend auf seine Mutter einzuwirken, doch seine Stimme klang nicht besonders überzeugend.
Brandt wich gerade einem Pkw aus, der abrupt in der zweiten Reihe angehalten hatte, als hinter ihm ein lautes Hupen ertönte.
»Mensch«, schimpfte er, »siehst doch, dass ich hier fahre!«
Die Situation für Fahrradfahrer war auf den Straßen der
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