Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche
ausgezeichnete Arbeit. Ich stellte fest, dass ich mein Bein sogar richtig belasten konnte, ohne mir damit mehr als nur einen leichten, kaum spürbaren pulsierenden Schmerz einzuhandeln. Sprints würde ich in absehbarer Zeit nicht hinlegen können, aber ›durch die Gegend humpeln‹ würde wunderbar funktionieren. Ich versuchte immer noch, mir eine möglichst nichtssagende Antwort zu überlegen, als Hense wieder ins Cockpit gestürmt kam.
»Können Sie sich wieder bewegen?«, fauchte sie.
Ich nickte. »Nicht gerade sonderlich elegant, aber ein guter Tänzer war ich sowieso nie.«
Sie griff nach einer ihrer blitzenden Roons, hielt sie am Lauf fest und streckte mir den Griff entgegen. »Nehmen Sie! Ich denke, wir werden jedes bisschen Talent brauchen, das wir kriegen können. Wir werden belagert.«
Erstaunt kniff ich die Augen zusammen, nahm die Waffe an mich und ließ mir mehrere Magazine geben. »Belagert? Von wem?«
Ihr vernichtender Blick verriet mir, dass das die dümmste Frage war, die sie seit langer Zeit gehört hatte. »Von wem wohl, verdammte Scheiße! Von den Mönchen. Sie sind zurück.«
Die Waffe lag gut in meiner Hand, ein tröstliches Gefühl. Roons wurden mittlerweile nicht mehr hergestellt, aber sie waren immer noch die besten Handfeuerwaffen der Welt, von einigen Modellen aus der Zeit vor der Vereinigung abgesehen. Diese Waffe hier war perfekt. Ich ließ das Magazin ausrasten und inspizierte die Kammer, lud dann nach und ließ alles wieder einrasten. Es war wirklich erstaunlich, wie viel besser ich mich fühlte, nachdem ich jetzt wieder eine Waffe hatte.
»Ich habe es Ihnen ja gesagt«, erklärte Ty. »Sie sollten jetzt eigentlich schon wieder auf der anderen Seite des Ozeans sein. Die Mönche sind ziemlich angepisst.«
Ich verzog das Gesicht. »Oder die sind deinetwegen hier, kleiner Mann.«
Mich beschlich ein sonderbares Gefühl, fast wie eine Gänsehaut, als könne ich sie spüren, diese winzigen, unsichtbaren kleinen Dinger in meinem Inneren, die immer weiter anschwollen und sich dabei schwarz verfärbten, als wüchsen aus ihrer filigranen, nur wenige Molekülschichten dicken Außenhaut Stacheln. Als könnte ich fühlen, wie der Tod mein Blut verunreinigte, Löcher in meine Blutgefäße riss. Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen und schluckte heftig.
»Los geht’s!«, sagte Hense und wandte sich ab. »Mr Kieth, schaffen Sie diesen Ziegelstein wieder in die Luft!«
Sie steuerte die Luke an, bevor die leise Stimme des Techies sie innehalten ließ. »Ohm … das stellt eine gewisse Schwierigkeit dar, Colonel.«
Hense blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. »Und wieso das, Mr Kieth?«, fragte sie und neigte den Kopf ein wenig zur Seite.
»Ich bin mit den genauen Spezifikationen der Systeme dieses Schwebers nicht vertraut«, gestand er langsam. »In meiner Hast, meine eigene Position zu verbergen, habe ich unabsichtlich einige Systeme deaktiviert.«
»Sie haben«, wiederholte sie langsam und ballte die Hände zu Fäusten, »Systeme deaktiviert.« Ich blieb an Ort und Stelle stehen und wartete ab. Meine Systeme waren allesamt aktiv und sondierten aufmerksam die Lage, denn in der Luft lag eine Atmosphäre kaum noch unterdrückter Gewalt. Es dauerte ein wenig, doch schließlich entspannte sich der Colonel wieder. »Nur als guten Ratschlag würde ich empfehlen, dass Sie diese Systeme umgehend wieder aktivieren und dafür sorgen, dass wir bald starten können, Mr Kieth – es sei denn, Sie möchten letztendlich doch wieder in Ihrer Glaskiste landen.«
Sie trat durch die Luke. Ich wollte ihr schon folgen, doch bevor ich auch nur zwei Schritte getan hatte, war wieder knisternd Tys Stimme zu hören. Sie klang verzerrt, fast als würde sie schmelzen.
»Mr Gates!«
Ich blieb stehen und schloss die Augen. In der Dunkelheit sah ich die Nanos wie winzige stachelige Fische. »Ja, Ty?«
»Wie kann sich Ty sicher sein, dass Sie ihn nicht töten werden?«
Ich musste schlucken. »Ty, du hast mein Wort. Sie kennen mich, Mr Kieth. Ich halte meine Versprechen. Sie haben mein Wort. Wir werden eine andere Lösung finden.«
»Ihr Wort, Mr Gates«, sagte Ty.
»Du hast mein Wort, Ty«, wiederholte ich und trat schnell in die Kabine des Schwebers. Dabei senkte ich den Blick fest auf den Boden und schaute niemandem in die Augen. Denn ich hatte gelogen.
XXVI
Tag neun:
der Rest der Welt war nur
ein Bonus
Den Blick immer noch fest auf den Boden gerichtet stopfte ich mir die restlichen
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