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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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Waffe hob. Ein fetter keuchender Kahlkopf erschien im Türrahmen. Er trug völlig lächerliche Kleidung, die ein wenig an einen Kampfanzug erinnerte: eine dunkle schwere Weste, eine robuste dicke Hose, die er in schwere Stiefel gestopft hatte, einen Patronengurt, den er flott quer über den Schultern trug. Mit seinem roten Gesicht starrte er mich eine Sekunde lang entsetzt an, die Mündung seines Gewehrs deutete schlaff auf den Boden. Es war ein hübsches teures Teil, dieses Gewehr, aber nur eine Halbautomatik mit viel zu geringer Schussrate, um in meiner Welt irgendwie von Nutzen zu sein.
    Ich ließ ihm eine Sekunde Zeit, sich zu entscheiden. Es war schon lange her, dass ich das letzte Mal ganz auf mich gestellt gehandelt hatte. Um zu feiern, dass ausnahmsweise keine toten Freunde hier waren, die mich ›pushten‹, und auch keine zornigen Cops, die mich zu irgendetwas zwingen wollten, wartete ich, bis er sich anschickte, seine Waffe auf mich zu richten. Dann betätigte ich den Abzug und schoss dem Mann mitten ins Gesicht. Der Schwung schleuderte ihn bis an die gegenüberliegende Wand.
    Ich duckte mich ein wenig und schaute mich hastig auf dem Flur um. Es war jedoch sonst niemand zu sehen. Mit zügigen Bewegungen stieg ich über die Beine der Leiche hinweg, die Waffe immer noch im Anschlag. Der Flur war erstaunlich lang; er reichte vom hinteren bis ganz zum vorderen Teil des Gebäudes. Eine deaktivierte Rolltreppe zu meiner Linken führte nach oben, doch ich glitt weiter vorwärts durch das Halbdunkel – sämtliche Fenster hatte man sorgfältig verrammelt. All der Staub, der hier in der Luft hing, ließ mich alles nur undeutlich erkennen und brachte meine Brust dazu, sich immer wieder zusammenzukrampfen, damit ich noch mehr meiner Lunge heraushusten konnte. Einige dumpfe Erinnerungen an dieses Haus kehrten zurück, und ich wusste, dass ich einen Zugang zum hinteren Gebäudeteil suchen musste. Der befand sich vermutlich im zweiten oder dritten Stock. Ich musste selbstverständlich davon ausgehen, dass sämtliche Fenster verbarrikadiert sein würden.
    Aus einem der oberen Stockwerke hörte ich Schritte, die sich mir schwerfällig näherten. Amateure, dachte ich, während ich vor dem unteren Teil der Rolltreppe kauerte und nach oben spähte. Spaß hatte ich an der ganzen Situation nicht. Arschlöcher umzubringen, die glaubten, sobald sie eine Waffe in die Hand nähmen, seien sie richtig harte Burschen, war schon immer ein Berufsrisiko gewesen. Außerdem brachte ich sie ja sowieso schon durch meine bloße Anwesenheit hier um -und meines Erachtens war eine Kugel, geradewegs durch den Kopf geschossen, deutlich humaner als die zur Verfügung stehende Alternative.
    Geduldig wartete ich ab. Die Waffe hatte ich immer noch in der Hand, aber nicht ganz im Anschlag, damit ich wenigstens eine Sekunde würde abwarten müssen, bevor ich loslegte. Währenddessen spähte ich nachdenklich in das staubige Halbdunkel und fragte mich, wie wohl der Plan der Gestalten dort oben ausgesehen haben mochte. Wollten die einfach nur so lange wie möglich überleben, in der Hoffnung, dass sich die Lage irgendwann ändern würde? Vielleicht hatten sie damit gerechnet, dass diese Seuche auch wieder abebbte. Oder sie erwarteten, dass die Regierung ein Heilmittel fände und dann mit regenbogenbunten Schwebern angerauscht käme, um ihre Kinder wieder nach Hause zu holen. Reiche Leute glaubten irgendwie immer, das System würde sich um sie kümmern. Aber wenn plötzlich der Yen jeglichen Wert verliert, dann passiert etwas ganz Komisches: Auf einmal ist man nur noch Ballast.
    Staub, der wahrscheinlich schon seit Anbeginn der Zeit ungestört hier gelegen hatte, wurde mit einem Mal aufgewirbelt, schien die Luft selbst anzufärben und erstickte mich beinahe. Zwei Männer, bullig und verschwitzt, ebenfalls in zusammengewürfelten Kampfanzügen, schwangen sich, ganz mit sich selbst beschäftigt, über das Geländer der deaktivierten Rolltreppe. Dem Ersten der beiden schoss ich geradewegs in die Brust, in aller Ruhe, und während der Mann auf mich zustürzte, nahm ich den zweiten Kerl ins Visier. Beim vierten Schritt blieb der Mann wie angewurzelt stehen, und der entsetzte Ausdruck auf seinem Gesicht hatte beinahe schon etwas Belustigendes. Er gab Fersengeld, und ich betätigte den Abzug erneut: Meine Kugel musste ihm wirklich ein paar Haare am Hals ausgerissen haben, als sie ihn so knapp verfehlte. Das zwang mich dazu, meine Kauerposition halbwegs

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