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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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meinem Blickfeld, und dann glitten diese wunderbaren, zierlichen Hände unter meine Arme, wuchteten mich in eine aufrechte Sitzposition und lehnten mich gegen den Untersuchungstisch. Ich blickte Hense an, als sie vor mir in die Knie ging. Sie starrte mich an. Sie schwitzte kein bisschen. Sie war nicht außer Atem. Warum sollte sie auch. Sie war ein Geist. Sie hatte den Kopf ein wenig zur Seite geneigt und schaute mich jetzt an wie ein Vogel – oder wie eine Katze, die ein Beutetier beobachtete. Genau wie Dick Marin. Ach du meine Fresse, das ist ein gottverdammter Avatar, zuckte es mir durch den Kopf.
    Wenn Marin wirklich damit angefangen hatte, Avatare aus den Cops zu machen, dann waren wir alle komplett im Arsch. Niemand konnte jemanden aufhalten, der sich einfach bloß einen neuen Körper aus einem Lagerhaus zu holen brauchte, um einem direkt danach immer und immer wieder erneut in die Eier zu treten.
    Hense legte mir eine ihrer kleinen Hände an die Wange und schaute mich an. Ihr Blick wirkte beinahe zärtlich, und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Ein winziger Funken Hoffnung keimte in mir auf. Ich mochte Hense, Cop hin oder her. »Ich bin eine Frau, die ihr Wort hält«, sagte sie leise. »Mr Kieth ist tot, und in gewisser Weise haben Sie uns tatsächlich hierher gebracht. Ich könnte mich jetzt über die eine oder andere Kleinigkeit beschweren, aber ich habe wirklich keinen Grund, dich zu töten, Avery.«
    Sie wischte mir etwas aus dem Gesicht; es war eine sanfte, fast schon liebevolle Geste. »Weil mir die Mönche diese Arbeit höchstwahrscheinlich abnehmen werden«, sagte sie leise, tätschelte noch einmal meine Wange und stand auf. Ich schaute ihr hinterher, als sie ohne ein weiteres Wort den Raum verließ. Dann versuchte ich, wieder einmal Luft in meine ruinierten Lungenflügel zu saugen. Ich war zu müde, um mich auch nur um die Schmerzen sorgen zu können.
    Einen Moment lang blickte mich Marko von der Tür aus an. Unschlüssig ballte er immer wieder die Hände zu Fäusten. Doch dann wirbelte er herum und folgte dem Colonel.
    Ich hörte, wie die Überbleibsel der Cops sich zurückzogen, hörte einige heisere Rufe, hörte Henses Stimme, klar und deutlich und ohne auch nur einen Anflug von Erschöpfung. Ein Geist. Als die Geräusche verklangen, breitete sich völlige Stille aus. Eine Weile saß ich nur da und starrte Happlings Leichnam an. Ich dachte an Gleason und versuchte mir vorzustellen, was sie wohl hierzu sagen würde, was für eine Klugscheißerbemerkung sie sich dazu einfallen ließe. Mir fiel allerdings einfach nichts ein. Dann hörte ich in der Ferne das Getrappel zahlloser Stiefel.

XXXIX
    Tag zehn:
    ich hätte mich darauf
    spezialisieren sollen,
    Mönche umzubringen
     
     
    Okay, dachte ich, das ist verdamm,!, fair. Einige Momente lang saß ich reglos da und starrte mit trüben Augen die Tür an. Ich war einfach nur glücklich, mich nicht bewegen zu müssen. Irgendwie war das nur angemessen. Nach all dem würden mich also die letzten Überreste von Kevs Mönchs-Armee in Stücke reißen. In diesem Gebäude befanden sich vielleicht noch fünfzig davon. Wir hatten uns an ihnen vorbeigemogelt, und sie waren zu spät eingetroffen, um ihren Boss zu retten. Aber ich war ja immer noch da – als Trostpreis, sozusagen.
    In gewisser sonderbarerweise fand ich es sogar ganz richtig, wenn Kev doch noch seine Rache bekäme. Ich hatte ihn damals in die Gänge unter der Westminster Abbey geführt, und dort war er gestorben: Auf dem nackten Betonboden hatte er gesessen, und einer von Dennis Squalors digitalen Avataren hatte grinsend auf ihn herabgeblickt. Und jetzt saß eben ich auf einem kalten Fußboden – na gut, ich war der Erdoberfläche hier deutlich näher, aber es war schon ähnlich genug. Reglos saß ich da. Meine Arme wogen jeweils hundert Pfund und waren nur noch nutzlose Anhängsel aus Knochen und Fleisch. Allein schon die Vorstellung, sie jemals wieder zu bewegen, verursachte mir immense Kopfschmerzen.
    Lautstark wurden Türen aufgerissen, Glas barst.
    Mein Blick fiel auf Happling. Der riesenhafte Mann starrte zur Decke empor, die Augen weit aufgerissen, der Mund schlaff. Um ihn herum hatte sich eine gewaltige Blutlache gebildet, schwarz und schimmernd wie Öl. Die Hände waren immer noch zu Fäusten geballt – selbst noch im Tode war dieser Scheißkerl einfach tierisch angepisst. Wieder musste ich an Hense denken, und ich fragte mich, ob auch Captain Happling eines Tages wieder auftauchen und

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