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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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Brust bereits zusammenbraute. »Ich werde dich jetzt aus diesem Gebäude schaffen.«
    Scheiß auf das Universum. Ich war endlich aus den Schienen gesprungen, und zum ersten Mal seit einer Woche fühlte ich mich wieder normal. Wahrscheinlich würde ich sterben – es war ein wahres Wunder, dass ich immer noch nicht tot war. Doch ich wusste schon eine ganze Weile, dass ich deutlich älter geworden war, als ich eigentlich hätte erwarten dürfen. Jetzt zu sterben fühlte sich völlig in Ordnung an. Es fühlte sich ganz natürlich an. Ich würde Ty hier herausschaffen, und er würde sein Bestes tun.
    Ty kämpfte sich in eine mehr oder minder aufrechte Sitzposition. Seine Nase zitterte, seine Augen waren feucht und glasig. »Mr Gates«, setzte er heiser an, »Mr Cates, Ty weiß gar nicht …«
    »Ty«, sagte ich müde und wedelte mit der Waffe in Richtung Ausgang, »du wirst mich doch jetzt nicht küssen wollen, oder? Dafür haben wir nämlich wirklich keine Zeit.«
    Er lächelte, brach dann unerwarteterweise in schallendes Gelächter aus. Seine Erleichterung war fast körperlich zu spüren. Als er gerade den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, explodierte sein ganzer Hinterkopf; eine klebrige Masse aus Blut und Knochen spritzte gegen die Wand hinter ihm. Als habe man die Fäden einer Marionette durchtrennt, sackte Ty wieder auf den Untersuchungstisch.
    Ich wirbelte herum; ein Adrenalinschub verlieh mir ein letztes bisschen Energie. Im Eingang stand Belling; er war verschwitzt und kalkweiß. Eine seiner Waffen deutete immer noch in meine Richtung. Sein Blick wanderte zu mir herüber, und ich betätigte den Abzug. Ein leises nutzloses Klicken war zu hören.
    Belling nickte. Er hielt die Waffe weiterhin auf mich gerichtet, doch er drückte nicht ab. »Diesen letzten Schritt konntest du noch nie machen, was, Avery?«, fragte er, und er sprach den Namen aus, als sei es ein Schimpfwort. Wortlos wandte er sich ab und spazierte davon.
    Es gab keinen Moment der Erlösung, nicht das Gefühl, eine Krankheit lasse nach. Ich fühlte mich genauso beschissen wie noch vor einer Sekunde. W a s auch immer für Schaden diese Nanobots in mir angerichtet hatten: Er war nun einmal angerichtet, und ob das ausreichte, mich umzubringen, bliebe abzuwarten. Ein verzerrter Schrei, der in die Luft tropfte wie geschmolzenes Metall, erfüllte den ganzen Raum. Ich spürte Kevs ›Push‹, härter als ich ihn jemals zuvor gespürt hatte. Wie ein gewaltiger Felsbrocken krachte er geradewegs in mein Gehirn und erschlug dabei alles, was meine eigene Persönlichkeit ausmachte. Bevor ich auch nur blinzeln konnte, hob ich den Arm, presste mir die Waffe gegen die Schläfe und betätigte den Abzug. Das leere Klicken dröhnte wie Donnerhall. Hinter mir hörte ich eine ganze Salve, und Kevs ›Push‹ verschwand so schlagartig, wie er gekommen war. Mein Arm fiel herab, die Waffe fiel mir aus zitternden, tauben Fingern. Meine Beine versagten den Dienst, und ich sackte sanft zu Boden, einfach so. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, als sei jeder einzelne Nerv meines Körpers durch die Poren meiner Haut an die Oberfläche gerissen worden, und nun schrien sie und weinten blutige Tränen.
    Hinter mir hörte ich kaum wahrnehmbar das Rascheln von Stoff, und dann tauchten dicht neben meinem Kopf Henses Stiefel auf. Einen Moment lang stand sie nur da und blickte auf Tys Leiche hinab. Die Arme hatte der Colonel sinken lassen, mit einer Hand umklammerte sie immer noch ihre Automatik. Ihre Hände waren völlig makellos: kein Kratzer, kein Schnitt, keine Prellung. Ich fragte mich, ob Colonel Hense überhaupt ein Mensch war. Dann bewegte ich den Kopf ein wenig zur Seite und betrachtete von unten ihr Gesicht, sodass es für mich auf dem Kopf stand. Neuerliches Adrenalin durchströmte meine Adern, als ich mich endlich erinnerte, wo ich sie schon einmal gesehen hatte.
    Wie sie da kopfüber an der uralten Feuerleiter hing, die Hände immer noch um die Pistolen verkrampft. Ich hatte sie umgebracht. Es war Jahre her. Damals war sie noch kein stolzer Colonel gewesen, und um ihre Kasse ein wenig aufzubessern, hatte sie nachts als Leibwächterin gearbeitet und war mir bei einem meiner Aufträge in die Quere gekommen. Mit einem Leibwächter hatte ich damals nicht gerechnet, und ich erinnerte mich sehr gut daran, die ganze Sache nur sehr knapp überlebt zu haben.
    Die eigentliche Zielperson hatte ich übrigens nicht beseitigt.
    Völlig lautlos wandte Hense sich ab und verschwand aus

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