Something like love
umarmt ihn. Wie alle Kinder, die Erin kennen, freut er sich total, sie zu sehen. Sie hat schon die halbe Stadt gebabysittet. »Chris«, sagt sie, »du kennst doch Jason, oder?«
»Na klar«, antwortet Chris. »Hey.«
»Hey«, sagt Jason. Er bekommt keine Umarmung.
»Und das ist meine Freundin Lani«, sagt Erin. »Ich gebe Chris Nachhilfestunden«, erklärt sie mir.
Zusammen mit Jason hat Erin gerade angefangen, in der Mittelstufe Nachhilfeunterricht zu geben. Jason macht das schon seit letztem Jahr und hat Erin immer wieder vorgeschwärmt, wie viel Spaß ihr das machen würde. Das war keine Frage. Sie stieg nur nicht sofort als Nachhilfelehrerin ein, weil sie überlegen musste, wie es noch in ihren Stundenplan passte. Erst recht, seit sie immer mehr Zeit mit Jason in ihrem Stundenplan unterbringen muss.
»Wie geht es mit Mathe voran?«, fragt Erin.
»Überhaupt nicht«, erwidert Chris. »Der Matheteil meines Gehirns funktioniert einfach nicht.«
»Tut er wohl. Ich helf dir noch ein bisschen. Du wirst schon sehen.«
»Hoffentlich hast du recht.«
»Und wo ist deine Familie?«, fragt Erin.
Chris zeigt auf einen Trupp kleiner Kinder. Seine Mom ist gleichzeitig damit beschäftigt, ein schreiendes Baby zu trösten, zwei kleine Jungs davon abzuhalten, sich gegenseitig umzubringen, und einem Mädchen eine Schleife ins Haar zu binden.
»Ich glaube, deine Mom könnte Hilfe gebrauchen«, sagt Erin. »Wir sehen uns Donnerstag, okay?«
»Okay!«, antwortet Chris. »Tschüss, Erin!« Und dann läuft er zu seiner Mom.
»Ich hol mir ein Eis«, sagt Erin. »Wollt ihr auch?«
»Ich grad nicht«, entgegnet Jason.
»Ich aber«, sage ich.
»Kirsch?«, fragt Erin.
»Na sicher.«
Und dann sind wir beide allein.
Jason kratzt sich am Knie. »Sind noch Äpfel da?«
»Ähm«, ich gucke in die Kühltasche. »Einer ist noch da.«
»Kann ich den haben?«
»Das ist meiner.«
»Deiner?«
»Ja. Hab ich vor ungefähr einer Stunde verkündet. Hast mich wohl nicht gehört.«
»Tja, Pech gehabt.«
»Tja, Pech gehabt.«
»Dann knobeln wir. Schere-Stein-Papier.«
»Du fängst an.«
Wir machen eine Faust. Jason beginnt: »Schere-Stein-Papier!«
Ich mache die Schere und er Papier.
»Ooh«, sage ich. »Schon wieder Pech gehabt.«
»Man muss zwei von drei Malen gewinnen.«
»Das hättest du eher sagen müssen.«
»Ich sage es jetzt.«
»Jetzt gilt das nicht mehr. Man muss es vorher sagen.«
»Sagt wer?«
»Das sind die Regeln. Kennst du die Regeln nicht?«
»Ha!«, erwidert Jason. »Ich bin die Regeln.«
Wir trinken aus unseren Flaschen.
»Wann hast du Geburtstag?«, frage ich.
»Erster Oktober.«
Na klar, Jason ist eine Waage. Charmant, umgänglich,
entspannt und idealistisch. Alles typische Waage-Eigenschaften. Ich hatte gehofft, sein Sternzeichen würde zu Stier passen und nicht zu Löwe. Aber wie interessant: Eigentlich passt er zu keiner von uns beiden.
Okay und wieso denke ich überhaupt darüber nach? Wir sind doch nur Freunde. Ich freue mich für Erin. Alles ist gut.
»Warum fragst du?«, erkundigt sich Jason.
»Nur so. Ich hab bald Geburtstag, deshalb…«
Die Sonne scheint Jason so in die Augen, dass ich ihn kaum ansehen kann. Seine Augen sind von einem unglaublichen Blaugrün.
Hör. Auf. Hinzusehen.
Jason fragt: »Wo ist eigentlich Blake?«
»Er findet Drachen nicht so spannend wie ich.«
Jason nickt so nachdenklich, wie ich es schon ein paarmal bei ihm beobachtet habe. Als wolle er sagen: Nicht jeder Mensch findet Drachen spannend. Unfassbar. »Dann ist er also zu Hause?«
»Keine Ahnung. Ich glaube schon.«
Jason trinkt einen Schluck Wasser. »Find ich cool, dass ihr zu den Paaren gehört, die nicht alles gemeinsam machen müssen.«
Oh mein Gott. Jason hält Blake für meinen Freund? Wo hat er das denn her?
»Blake ist nicht mein Freund«, sage ich.
»Nicht?«
»Nein.« Ich würde es gern erklären. Aber das geht natürlich nicht.
»Oh.« Jason lächelt. Und trinkt noch einen Schluck, damit ich es nicht sehen kann.
Eins weiß ich über Jungs. Wenn sie fragen, ob man einen Freund hat (oder behaupten, man hätte einen, damit man es entweder bestätigt oder verneint), haben sie eindeutig Interesse an einem und wollen herausfinden, ob man gerade Single ist oder nicht. Aber es ist vollkommen undenkbar, dass Jason an mir interessiert ist. Er steht auf Erin. Erin und ich sind so verschieden, dass er unmöglich auf uns beide stehen kann. Außerdem, wenn er was von mir wollte, hätte er mich doch
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