Something like love
Ryan Campanelli wurde für die Schmiererei auf Blakes Spind bestraft.
Ich hatte befürchtet, dass der Übeltäter davonkäme, weil man ihm nichts beweisen konnte. Aber Sophie hat bezeugt, dass es Ryan war. Er wurde für eine Woche suspendiert. Eigentlich hätte er einen Schulverweis verdient, aber seine Mutter sitzt im Schulausschuss.
Sophie hatte Ryan schon vorher im Verdacht, aber sie hatte keinen konkreten Beweis. Deshalb behielt sie Ryan im Auge, um zu sehen, ob er sich verraten würde. Als ein Stapel Bücher aus Ryans Spind fiel, konnte Sophie einen Blick reinwerfen und entdeckte ganz hinten eine Spraydose. Sie ging hin und zog die Dose aus dem Schrank. Natürlich hatte sie exakt den Gelbton, den alle auf Blakes Spind gesehen hatten.
»Du hast Blakes Spind beschmiert!«, schrie Sophie und hielt die Dose hoch, damit alle sie sehen konnten.
Es wurde ganz still. Alle starrten die beiden an.
Ryan blickte um sich. Es abzustreiten, war sinnlos, das war ihm klar.
»Na und?«, sagte er.
»Wie konntest du so was nur tun? Das ist abscheulich, selbst für jemanden wie dich!«
Ein paar Mitschüler kicherten.
Ryan verteidigte sich: »Na und? Die Leute haben schon letztes Jahr über ihn geredet. Ich hab ihn schließlich nicht geoutet oder so was.«
»Also, eigentlich«, sagte Sophie ihm mitten ins Gesicht, »hast du genau das getan.«
Dann fragte sie ihn, warum er so lange gewartet hätte, wo er doch schon letztes Jahr über Blake Bescheid gewusst hatte. Im Prinzip hätte Ryan ihr gar nichts erklären müssen. Er hätte einfach weggehen können. Aber ich glaube, irgendwie ist Ryan sogar stolz auf das, was er getan hat.
Jedenfalls sagte er, wenn er kurz vor Ende des Schuljahrs oder während der Ferien damit rausgerückt wäre, hätte es nicht dieselbe Wirkung gehabt. Um Blake die volle Ladung zu verpassen, wollte er bis zum ersten Schultag warten, denn dann würden alle gleichzeitig darüber reden. Das würde Blake viel krasser brandmarken als ein Gerücht, das nach den Sommerferien längst verblasst wäre.
Sophie erzählte mir, dass Ryan sich mit der ganzen Sache geradezu brüstete.
Es ist schon unheimlich, wie stark Hassgefühle sein können.
Nach der Schule mit dem Zug zu Blakes Onkel zu fahren, ist gar nicht so schlimm, wie ich dachte. Ich fand die Vorstellung schrecklich, dass Blake jeden Tag ganz allein so viel Zeit im Zug verbringen muss, deshalb hatte ich ihm versprochen, ab und zu mitzukommen.
Der Zug rattert vor sich hin. Ich schaue auf die Landschaft, an der wir vorbeifahren. Ich denke an die historischen Ereignisse, die hier stattgefunden haben, an all die verborgenen Schätze, die vielleicht nie entdeckt werden würden. Und daran, wie sehr Jason die Gleise der Eisenbahn liebt. Mir ist klar, was sie ihm bedeuten. Es ist das Gefühl, einem neuen Ziel entgegenzufahren. Einem Ort, den ich noch nicht kenne, den ich von hier aus nicht sehen kann. Einem Ort, der mir im tiefsten Herzen vertraut sein wird, sobald ich ihn erreicht habe.
»Ich habe gehört, dass es heute im Schulflur ziemlich abging«, sagt Blake.
»Erinnere mich bloß nicht daran«, stöhne ich.
»Wieso, wolltest du nicht geküsst werden?«
Die Wahrheit ist: Jasons Kuss hat mich so umgehauen, dass ich immer noch ganz schwach auf den Beinen bin. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, deshalb sage ich: »Nicht in aller Öffentlichkeit.«
»Ich habe mit Erin gesprochen.«
»Du hast es ihr erzählt?«
»Als ob ich so was tun würde! Sie wusste schon Bescheid – übrigens wie alle anderen auch.«
Ich stöhne erneut.
»Ich habe mit ihr über dich und Jason gesprochen«, sagt Blake.
»Es gibt kein Jason und ich.«
»Genau. Das ist ja das Problem.«
»Du bist echt nervtötend, weißt du das?«
»Bin ich das? Oder hast du vielleicht den Verstand verloren?«
»Ich kann nicht mit Jason zusammen sein, wenn…«
»Jaja.« Blake macht eine abfällige Handbewegung. »Erin hat dir das Leben gerettet und jetzt stehst du in ihrer Schuld. Aber erlaube mir die Frage: Wie, bitte schön, willst du es wiedergutmachen, indem du dich von Jason fernhältst?«
»Ich will ihr nicht noch mehr wehtun, als ich es bereits getan habe.«
»Ähm, so ist aber nun mal das Leben. Erin ist ein großes Mädchen. Sie kann damit umgehen.«
»Was hast du zu ihr gesagt?«
»Nur, dass man Seelenverwandte nicht auf Dauer voneinander fernhalten kann.«
»Das hast du gesagt?«
»Ist es etwa falsch? Das ist ihr doch längst selbst klar, sie will es nur noch
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