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Sommer

Sommer

Titel: Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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langsam die Gewänder,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;
du schaust: und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins, das fällt;
    und lassen dich, zu keinem ganz gehörend,
nicht ganz so dunkel wie das Haus, das schweigt,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das, was Stern wird jede Nacht und steigt –
    und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben bang und riesenhaft und reifend,
so daß es, bald begrenzt und bald begreifend,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.
    Werke I , 405
    … in Deinem vorletzten Brief noch schriebst Du von der hellen Mondsichel oben im Abend, die Ruth auch vertraut ist – aber schon ist es hier bei mir ein fast voller Mond geworden, der blaß im blassen Abendhimmel wartet, daß es um ihn dunkel wird, und der dann links über dem kleinen Klostergarten scheint, so daß ich ihn im Schlafengehen überall draußen fühle, ohne ihn selbst zu sehen: an der Kuppel der Kirche, in der leeren Kastanie, in der Luft, die dunkel bleibt, aber ganz durchsichtig wird und beinah spiegelnd an manchen Stellen wie ein Glas über einem dunkeln Bild. Das tut mir oft wohl, daß ich wirkliche Nacht gegenüber habe, die Nacht, die zu dem kleinen Garten gehört; und schon ein kleiner Garten hat eine große Nacht.
    Briefe I (Clara Rilke, 20. 9. 1907), 178f.
    Mondnacht
    W eg in den Garten, tief wie ein langes Getränke,
leise im weichen Gezweig ein entgehender Schwung.
Oh und der Mond, der Mond, fast blühen die Bänke
von seiner zögernden Näherung.
    Stille, wie drängt sie. Bist du jetzt oben erwacht?
Steinig und fühlend steht dir das Fenster entgegen.
Hände der Winde verlegen
an dein nahes Gesicht die entlegenste Nacht.
    Werke II , 38
    Nachthimmel und Sternenfall
    D er Himmel, groß, voll herrlicher Verhaltung,
ein Vorrat Raum, ein Übermaß von Welt.
Und wir, zu ferne für die Angestaltung,
zu nahe für die Abkehr hingestellt.
    Da fällt ein Stern! Und unser Wunsch an ihn,
bestürzten Aufblicks, dringend angeschlossen:
Was ist begonnen, und was ist verflossen?
Was ist verschuldet? Und was ist verziehn?
    Werke II , 175
    W underliches Wort: die Zeit vertreiben!
Sie zu halten , wäre das Problem.
Denn, wen ängstigts nicht: wo ist ein Bleiben,
wo ein endlich Sein in alledem? –
    Sieh, der Tag verlangsamt sich, entgegen
jenem Raum, der ihn nach Abend nimmt:
Aufstehn wurde Stehn, und Stehn wird Legen,
und das willig Liegende verschwimmt –
    Berge ruhn, von Sternen überprächtigt; –
aber auch in ihnen flimmert Zeit.
Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt
obdachlos die Unvergänglichkeit.
    Werke II , 123
    V ergiß, vergiß und laß uns jetzt nur dies
erleben, wie die Sterne durch geklärten
Nachthimmel dringen; wie der Mond die Gärten
voll übersteigt. Wir fühlten längst schon, wies
spiegelnder wird im Dunkel; wie ein Schein
entsteht, ein weißer Schatten in dem Glanz
der Dunkelheit. Nun aber laß uns ganz
hinübertreten in die Welt hinein
die monden ist –
    Werke II , 362f.
    Städtische Sommernacht
    U nten macht sich aller Abend grauer,
und das ist schon Nacht, was da als lauer
Lappen sich um die Laternen hängt.
Aber höher, plötzlich ungenauer,
    wird die leere leichte Feuermauer
eines Hinterhauses in die Schauer

einer Nacht hinaufgedrängt,
welche Vollmond hat und nichts als Mond.
    Und dann gleitet oben eine Weite
weiter, welche heil ist und geschont,
und die Fenster an der ganzen Seite
werden weiß und unbewohnt.
    Werke II , 35f.
    Bei Nacht
    W eit über Prag ist riesengroß
der Kelch der Nacht schon aufgegangen;
der Sonnenfalter barg sein Prangen
in ihrem kühlen Blütenschooß.
    Hoch grinst der Mond, der schlaue Gnom,
und neckend streut er das Gesträhne
der weißen Silberhobelspäne
hernieder in den Moldaustrom.
    Da plötzlich, wie beleidigt, hat
zurückgerufen er die Strahlen,
weil er gewahr ward des Rivalen:
der Turmuhr helles Stundenblatt.
    Werke I , 25
    P rag ist zu eng. Ich mußte mich ganz gewaltsam hineinfinden gestern abend. In Oberneuland ließ ich mir neulich berichten von einer grünen Libelle, die sich aus ihrer Larve auszog. Meine Frau und die Kleine hatten das Blatt mit im
Boot, sie konnten alles sehen, jede Bewegung, das neue Wesen war ohne Scham in seinem guten Gewissen: Augen gab es nicht für es, wie es so vorsichtig ausbrach ins Licht hinein, in den ersten Sommertag: nur Welt.
    Es soll ohne Gleichen gewesen sein, dies mitzumachen, eine Einweihung ins pure Wunder. (Ich hätts dem Fürsten erzählen müssen, es hätte ihn gefreut.)
    Nun

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