Sommer
auszuhalten und das Häuschen bis zum Herbst gemiethet habe. Aber meine Gesundheit leidet schon jetzt, da die Wärme kaum noch begonnen hat, und ich sehe, dass ich es nicht ertrotzen kann hier zu bleiben; wohin ich aber gehen soll, weiss ich noch nicht.
Key (9. 5. 1904), 80
L iebe, je m'ennuie, es ist eine Schande, daß ich das von hier aus sage und ich seh mich um, ob mein mezzanino dieses Geständnis nicht gemerkt hat –, was ists? Ich müßte
eine große Aktivität und Gegenwärtigkeit entfalten, um in den hiesigen Verhältnissen nicht in die Wiederholung zu gerathen (eine Gefahr, von der ich Ihnen schon neulich berichtet habe) –, aber sei einer aktiv bei diesem anhaltenden Scirocco –, ich muß nur die Butter auf meinem Frühstückstisch betrachten, die sich auflöst, gar nicht davon zu reden, daß selbst widerständigere Gegenstände (wie z. B. der provisorische Siegellack, den ich verwende) im bloßen Daliegen auf dem Tisch biegsam werden und eine Form der Hingebung und genouflexion annehmen, verzehrt von dem inneren Glimmen, das in allen Dingen unterhalten wird. Dies ist auch der Grund, warum ich selbst keinen Brief aufbrachte so lange –, man hat das Gefühl, die Tinte verdirbt während sie trocknet, – wunderbar, daß das aufpasserische Schicksal mich in solchem Moment nicht in einen Fruchthändler in Venedig verwandelt, Liebe, das wäre ein Beruf für mich, alle diese Pfirsiche und Aprikosen zu überwachen, daß sie auf den Mittag zu frisch bleiben, und die überfüllten Feigen, die schon ganz erschöpft ankommen: diese Sorge. Was thut man nur, um im Bewußtsein dieser hinfälligen Früchte eine Täuschung der Kühle zu unterhalten, liest man ihnen lappländische Märchen vor? Der Italiäner, verliebt in alles was ›Erfindung‹ ist, läßt seine Ventilatoren schnurren, als wären es Volksredner, an die rasend angetriebenen Räder sind in manchen Läden Papierstreifen befestigt, die wagerecht über die Früchte hinflattern, zur Fliegenvertreibung, – ja im Hintergrund einer solchen schwarz verfinsterten boutique schien ein ganzes System von Luftwendern und -Bewegern im Gang zu sein: ein wahrer Wind raste aus den unerkennbaren Hinterhalten herüber, die grünen Blätter unter den Fruchtlasten wurden umgeschlagen und die Haare der Verkäuferin stürmten, wie bei einer Goya'schen Hexe, vor sie hin
und fast aus dem Laden hinaus. Wunderbar aber ist das kühle durchsichtige Schwarz in der Tiefe dieser niedrigen Verkaufsräume, die, selbst wenn sie an der schattigsten engen Calle liegen, immer noch ein Mehr von Verdunkelung in sich fassen, so daß die Früchte wie auf alten holländischen Bildern nicht allein farbig, sondern auch leuchtend wirken, wirklich wie Gestirne dieses Raumes, farbige Monde und Mondviertel, die alles je empfangene Sonnenlicht in einer eigenthümlichen Sammlung und Stärke ausgeben. Kleine schlanke Caröttchen, die sich über so viel Kühle wunderten, sah ich in dieser Umgebung ein Rosa annehmen, das von manet'scher Delikatesse war, dieser Korb mit blassen Würzelchen war wie ein Chef d'œuvre französisch-spanischer Malerei, mit ein bischen neapolitanischem Einschlag. Und nun denken Sie sich in solchem klaren Schwarz das Leben einer Katze oder das plötzliche Aufschauen eines venezianischen Mädchens, einer Käuferin, die nun ihrerseits, eine Möndin der Monde, den Glanz der gewählten Früchte in der Blässe des Gesichts und im Spiegel der Augen weitergiebt.
Wunderly I (1. 7. 1920), 258f.
M eine liebe Fürstin,
mein Schweigen ist nicht Trägheit und nicht Herzensvergeßlichkeit, – es ist eine Verzauberung, in der ich immer erstarrter drin stehe, Salzsäule oder Stein, ich weiß nicht, was ich noch werden soll. Die Briefe häufen sich auf meinem Schreibtisch, aber mir scheinen unbeschreibliche Kräfte nöthig, um eine Feder in Bewegung zu setzen, ein ganzes Räderwerk. Meine Mühle steht, ach, wie lange steht meine Mühle, der schöne Strom, der über sie stürzte, ist zu Eis geworden, daran konnte ein Sommer nichts ändern, der
draußen vorüberging, ohne mich irgendwie zu berühren. Nun allerdings, da eine frühe Herbstlichkeit ihn abzulösen beginnt, traur ich ihm nach, obwohl er mir nichts gebracht hat, und merke, wieviel Hoffnung ich darauf gesetzt habe, daß die Jahreszeit mich irgendwie mitnehmen, mitreißen und erfüllen würde, ein Gleichnis der Natur hervorbringend in meinen ariden Fähigkeiten. Im Mündlichen gelingt es mir noch manchmal, lebendig zu sein und den
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