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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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gemacht hatte. Er nahm Duanes Hand in seine.
    Die Farm schien anders zu sein, als sie zurückkamen. Die Wolkendecke brach ein wenig auf, strahlendes Licht fiel auf die Felder. Haus und Scheune wirkten wie frisch gestrichen, der alte Pritschenwagen auf dem Hof wie durch ein Wunder erneuert. Duane stand vor der Küchentür und dachte nach, während der Alte sich die letzten Worte des Sheriffs anhörte. Als das Auto wegfuhr, riß es Duane aus benommenem Nachdenken.
    »Ich gehe in die Stadt«, sagte der Alte. »Warte, bis ich wiederkomme.« Duane ging zum Laster. »Ich komme mit.« Sein Vater hielt ihn auf, indem er ihm sacht eine Hand auf die Schulter legte. »Nein, Duane. Ich gehe zu Taylor, bevor der verdammte Geier anfängt, Art zu verschönern. Und ich muß ein paar Fragen stellen.«
    Duane wollte Einwände vorbringen, aber dann sah er seinem Vater in die Augen und spürte, daß der Alte allein sein wollte, allein sein mußte, und wenn es nur die paar Minuten während der Fahrt in die Stadt war. Duane nickte, machte kehrt und setzte sich auf die Stufe. Er überlegte, ob er weiter die Reihen abgehen sollte, entschied sich aber dagegen. Er stellte unter Schuldgefühlen fest, daß er Hunger hatte. Obwohl er ein Brennen im Hals verspürte, viel schlimmer als bei Witt, und obwohl seine Brust unter dem gewaltigen Druck, der sich dort aufbaute, fast zu explodieren schien, hatte Duane Hunger. Er schüttelte den Kopf und schlurfte ins Haus.
    Er aß ein Sandwich mit Leberwurst, Käse, Speck und Salat, wanderte durch die Werkstatt des Alten und fragte sich, wo er die New York Times liegengelassen hatte, während ein großer Teil seines Verstands immer wieder Bilder des verwüsteten Cadillac abspulte, der Chrom- und Glassplitter und der Spur roter Farbe an der Fahrertür.
    Das grüne Licht an der Anrufbeantwortermaschine des Alten blinkte. Duane, der immer noch kaute und nachdachte, spulte das Tonbandgerät geistesabwesend zurück und drückte die PLAYTaste.
    »Darren? Duane? Verdammt, warum schaltet ihr diese verfluchte Maschine nicht aus und geht ans Telefon?« sagte Onkel Art.
    Duane erstarrte mitten im Biß und hielt das Band an. Sein Herz schien stillzustehen, dann schlug es einmal -laut -, dann setzte es unter großen Schmerzen wieder ein. Duane schluckte mühsam, holte Luft und drückte erst die Rückspul- und dann die PLAYTaste.
    »... und geht ans Telefon? Duane, dieser Anruf ist für dich. Ich habe gefunden, wonach du gesucht hast. Die Sache mit der Glocke. In meiner Bibliothek. Da war es die ganze Zeit. Duane, es ist verblüffend. Wirklich. Unglaublich, aber beunruhigend. Ich habe etwa zehn meiner älteren Freunde in Elm Haven gefragt, aber keiner kann sich an eine Glocke erinnern. Spielt keine Rolle ... in dem Buch steht ... nun, ich werde es dir selbst zeigen. Es ist jetzt ... äh ... etwa zwanzig nach neun. Ich bin vor halb elf da. Bis gleich, Junge.«
    Duane spielte das Band noch zweimal ab, dann schaltete er das Gerät aus, tastete hinter sich, fand einen Sessel und ließ sich darauf plumpsen. Der Druck in seiner Brust war jetzt so stark, daß er ihm nicht mehr widerstehen konnte, daher ließ er ihn heraus; die Tränen rannen ihm die Wangen hinab, ab und zu wurde er von einem stummen Schluchzen geschüttelt. Hin und wieder nahm er die Brille ab, rieb sich die Augen mit dem Handrücken und biß von seinem Sandwich ab. Es verging viel Zeit, bis er wieder aufstand und in die Küche zurückging.
    Unter der Nummer des Büros des Sheriffs nahm niemand das Telefon ab, aber Duane erwischte den Mann schließlich zu Hause. Duane hatte vergessen, daß Sonntag war.
    »Ein Buch?« sagte der Sheriff. »Nn-nnn, ich habe kein Buch gesehen. Ist es wichtig, Junge?«
    »Ja«, sagte Duane. Und fügte hinzu: »Für mich.«
    »Nun, an der Unfallstelle habe ich keins gesehen. Natürlich ist noch nicht das ganze Gelände aufgeräumt worden. Es hätte in dem Schlamassel sein können... es hätte auch in dem Auto sein können.«
    »Wo ist das Auto jetzt? Bei Ernie?«
    »Ja. Bei Ernie oder J. P. Congden.«
    »Congden?« Duane warf die Brotkruste in den Mülleimer. »Wieso denn bei Congden?«
    Duane hörte den Sheriff ausatmen, was ein leiser Mißfallenslaut gewesen sein konnte. »Nun, J. P. hört über Polizeifunk von Unfällen und macht ab und zu ein Geschäft mit Ernie. J. P. bezahlt Ernie für das Wrack und verkauft es dem Schrottplatz drüben in Oak Hill. Jedenfalls glauben wir, daß er das damit macht.«
    Wie die meisten Kinder in

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