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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Die Wirkung von den dunklen, vollgesogenen Halbmonden aus Schweiß unter den Armen des Khakihemds nur unwesentlich getrübt.
    »Stimmt was nicht?« fragte Duane und überlegte, ob Mr. Ashley-Montague möglicherweise einen Polizisten auf ihn angesetzt hatte. Der Millionär war am Abend zuvor sichtlich aufgewühlt gewesen und nicht mehr bei der Gratisvorstellung anwesend, als Duane zurückgekehrt war, um mit Onkel Henry und Tante Lena nach Hause zu fahren.
    Der Sheriff nickte. »Fürchte ja, Junge.«
    Duane stand da, während ihm der Schweiß vom Kinn tropfte, bis der Alte die letzten zehn Meter die Reihe entlangkam.
    »Mr. McBride?« sagte der Sheriff.
    Der Alte nickte und wischte sich mit einem Taschentuch über das Gesicht, wobei eine sandige Schliere in den grauen Stoppeln zurückblieb. »Ganz recht. Und wenn es um das gottverdammte Telefon geht, ich habe Ma Bell klipp und klar gesagt...«
    »Nein, Sir. Es geht um einen Unfall.«
    Der Alte erstarrte, als wäre er geschlagen worden. Duane sah seinem Vater ins Gesicht, erblickte ein Zögern, das nur für einen Augenblick anhielt, und dann die Wucht der Gewißheit. Nur ein lebender Mensch hatte den Namen des Alten auf einer >Im Falle eines Unfalls<-Karte in der Brieftasche.
    »Art«, sagte der Alte. Es war keine Frage. »Ist er tot?«
    »Ja, Sir.« Der Sheriff rückte seine Brille fast im selben Augenblick zurecht, als Duane selbst den Bügel seiner Brille mit dem Mittelfinger berührte.
    »Wie?« Die Augen des Alten schienen auf etwas im Feld hinter dem Sheriff zu sehen. Oder gar nichts.
    »Autounfall. Vor etwa einer Stunde.«
    »Wo?« Der Alte nickte unmerklich, als hätte er so eine Nachricht erwartet. Duane kannte das Nicken, wenn sie gemeinsam Radio hörten oder der Alte über Korruption in der Politik sprach.
    »Jubilee College Road«, sagte der Sheriff, dessen Stimme fest, aber nicht so tonlos wie die des Alten klang. »Stone Creek Bridge. Etwa zwei Meilen von ... «
    »Ich weiß, wo die Brücke ist«, unterbrach ihn der Alte. »Art und ich sind dort immer schwimmen gegangen.« Seine Augen wurden wieder etwas klarer, er wandte sich an Duane, als wollte er etwas sagen, etwas tun. Statt dessen drehte er sich wieder zum Sheriff um. »Wo ist er?«
    »Als ich weggefahren bin, haben sie den Leichnam gerade abtransportiert«, sagte der Sheriff. »Ich bring' Sie hin, wenn Sie wollen.«
    Der Alte nickte und stieg auf der Beifahrerseite des Sheriffsau-tos ein. Duane sprang auf den Rücksitz.
    Das ist nicht wahr, dachte er, als sie am Haus von Onkel Henry und Tante Lena vorbeifuhren, mit mindestens siebzig Meilen über den ersten Hügel donnerten und am Friedhof vorbeirasten. Duane stieß sich fast den Kopf an der Decke an, als sie wieder in den Wald hinunterfuhren. Er wird uns auch umbringen. Das rasende Auto des Sheriffs schleuderte Staub und Kies zehn Meter in den Wald. Als sie zum Black Tree fuhren, waren sämtliche Bäume, Unkräuter, Büsche und Zweige am Straßenrand grauweiß, wie mit pulverisierter Kreide überzogen. Duane wußte, es war nur Staub der anderen Fahrzeuge, aber als er das graue Laub und den grauen Himmel sah, mußte Duane an den Hades denken, an die Schemen der Toten, die im grauen Nichts warteten, an die Szene, die ihm Onkel Art vorgelesen hatte, als er noch sehr klein war, wie Odys-seus in den Hades hinabgestiegen war und dem grauen Nebel getrotzt hatte, um den Schatten seiner Mutter und ehemaligen Kampfgefährten gegenüberzutreten.
    Der Sheriff hielt nicht am Stoppschild an der Kreuzung County Six und Jubilee College Road, sondern raste kontrolliert schlitternd auf den festgefahrenen Kies. Duane merkte, daß das Licht über ihren Köpfen blinkte, aber keine Sirene zu hören war. Er fragte sich, was die Eile sollte. Der Alte vor ihm saß vollkommen gerade, hatte den Kopf nach vom gewandt und bewegte sich nur, wenn das Auto bockte.
    Sie brausten die zwei Meilen nach Osten. Duane sah über die Felder zur Linken zum langen Ausläufer des Waldes, wo die Gypsy Lane verborgen lag. Dann waren rechts und links nur noch Maisfelder zu sehen, abgesehen von Bäumen zwischen den Hügeln.
    Duane zählte die Talsohlen; er wußte, in der vierten kleinen Niederung lag der Stone Creek.
    Sie fuhren zum viertenmal abwärts, bremsten heftig, dann steuerte der Sheriff an den linken Straßenrand und parkte in der falschen Richtung, aber es war kein Verkehr unterwegs. Die Talsohle und die spärlich bewaldeten Hügel hüllten sich in sonntagvormittägliches

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