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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Schweigen.
    Duane bemerkte die anderen Fahrzeuge, die bei der Betonbrücke an der Böschung parkten: ein Abschleppwagen, J. P. Congdens häßlicher schwarzer Chevy, ein dunkler Kombi, den er nicht kannte, ein Schrottlaster von Ernies Texaco-Tankstelle am Ostende von Elm Haven. Kein Krankenwagen! Keine Spur von Onkel Arts Auto. Vielleicht war es ein Irrtum.
    Duane sah die Schäden am Brückengeländer zuerst. Die alte Betonmauer mit den zinnenartigen Vertiefungen in ihrem neunzig Zentimeter hohen Wall war vor vierzig oder fünfzig Jahren errichtet worden. Jetzt war am Ostende ein fast anderthalb Meter langes Stück dieser Betonmauer weggebrochen. Duane sah rostige Eisenstäbe, die aus dem Beton ragten wie eine unheimliche Knochenhand, die die Böschung hinunterdeutete.
    Duane stellte sich neben den Alten und sah das Geländer hinunter. Ernie von Ernies Texaco war unten, zusammen mit drei oder vier anderen Männern, einschließlich des rattengesichtigen Friedensrichters. Und Onkel Arts Cadillac.
    Duane sah sofort, was passiert war. Art war so weit nach rechts gedrängt worden, als er über die einspurige Brücke fuhr, daß der linke Vorderreifen des großen Autos gegen die Betonmauer geprallt war, so daß der Motor in die Fahrerseite gedrückt wurde und der Caddy wie ein verdrehtes Spielzeug über den Stone Creek geflogen war. Dann waren zwei Tonnen Automobil in die Bäume gegenüber geprallt und hatten Schößlinge und eine Eiche mit zwanzig Zentimeter durchmessendem Stamm umgemäht, bevor die große Ulme auf dem Hügel sie gebremst hatten. Duane sah die tiefe Wunde dort, eine neunzig Zentimeter lange Narbe in der Rinde, aus der noch Harz blutete. Er fragte sich, ob die Ulme überleben würde.
    Nachdem die rechte hintere Tür und der Kotflügel vom zweiten Aufprall eingedrückt worden waren, war der Caddy zehn bis fünfzehn Meter bergauf gerollt, hatte Sträucher und kleine Bäume ausgerissen und war über einen Stein geschnellt - dabei war die Windschutzscheibe herausgeflogen, sie lag zerschellt gleich hinter dem Stein -, dann war das Wrack aufgrund der Schwerkraft oder des Zusammenpralls mit einem weiteren großen Baum den Berg wieder hinabgerollt in den Bach.
    Da lag es nun auf dem Dach. Das linke Vorderrad fehlte; die drei anderen sahen seltsam entblößt aus, fast unanständig. Duane stellte fest, daß sie noch genügend Profil hatten; Onkel Art machte sich immer wegen abgefahrener Reifen Sorgen. Der bloßliegende Unterboden sah sauber und neu aus, abgesehen von der Stelle, wo ein Teil der Kraftübertragung abgerissen worden war.
    Eine Tür des Caddy war offen und fast zur Hälfte zusammengeknickt. Die Passagierkabine war nicht untergetaucht, obwohl sie in etwa dreißig Zentimeter tiefem Wasser lag. Trümmer und Bruchstücke aus Metall, Chrom und Glas glitzerten auf dem Hügel, obwohl keine direkte Sonne schien. Duane fielen noch andere Einzelheiten auf: Eine gestreifte Socke lag im Gras, eine Schachtel Zigaretten bei dem Stein, Straßenkarten flatterten in den Büschen.
    »Sie haben den Leichnam weggebracht, Bob«, rief Ernie, der kaum aufsah, während er ein Kabel an der Achse befestigte. »Donnie und Mr. Mercer sind auch zurückgefahren, im ... oh, hallo, Mr. McBride.« Ernie wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
    Der Alte leckte sich die Lippen und sprach zum Sheriff, ohne sich umzudrehen. »War er schon tot, als Sie hierhergekommen sind?«
    Duane sah den Wald und die Hügelkuppe, die sich in der Brille des Sheriffs spiegelten. »Ja, Sir. Er war tot, als Mr. Carter hier vorbeigefahren ist und unten etwas gesehen hat, das war etwa eine halbe Stunde, bevor ich hierhergekommen bin. Mr. Mercer ... wissen Sie, das ist der Gerichtsmediziner des County ... er hat gesagt, daß Mr. McBr... äh ... Ihr Bruder sofort beim Aufprall ums Leben gekommen ist.«
    J. P. Congden kam schnaufend die Böschung herauf, atmete ihnen eine Whiskyfahne ins Gesicht und zog den ausgebeulten Overall hoch. »Tut mir echt leid mit Ihrem ...«
    Der Alte schenkte dem Friedensrichter keine Beachtung und ging den steilen Hang hinunter, rutschte an schlammigen Stellen aus und hielt sich an Ästen fest, um nach unten zu gelangen. Duane folgte ihm. Der Sheriff hangelte sich mit Bedacht nach unten und achtete darauf, daß er keine Schlammspritzer auf die gebügelte braune Uniformhose bekam.
    Der Alte kauerte am Bachufer und starrte in den schrottreifen Caddy. Das Dach war eingedrückt, das Wasser reichte bis zum umgekehrten Armaturenbrett. Duane

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