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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Rote Farbe. Rote Farbe wie von dem Lastwagen, der heute vor einer Woche versucht hat, meinen Jungen zu überfahren.«
    Barney holte ein Notizbuch aus der Tasche, schrieb mit einem Bleistiftstummel etwas hinein und sah auf. »Hast du Sheriff Con-way informiert?«
    »Worauf du dich verlassen kannst«, sagte der Alte. Er war aufgeregt und rieb sich die Wangen. Er hatte sich heute morgen rasiert, es schien ihn zu verwirren, daß keine Stoppeln da waren. »Er hat gesagt, er würde >sich darum kümmern<. Ich habe ihm gesagt, daß er gut daran tun würde, sich gründlich darum zu kümmern, weil ich ihn und Congden anzeigen werde, wenn sie keine ordentliche Ermittlung durchführen.«
    »Du glaubst an ein zweites Fahrzeug?«
    Der Alte sah zu Duane, der unter der Tür stand. »Ich weiß, daß mein Bruder den Cadillac nicht allein mit siebzig Stundenmeilen gegen das Brückengeländer gefahren hat«, sagte er zu Constable Barney. »Art war ein Fanatiker, wenn es darum ging, Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuhalten, sogar auf beschissenen Feldwegen wie der Jubilee College Road. Nein, jemand hat ihn von der Straße abgedrängt.«
    Barney ging zu seinem Auto. »Ich rufe Conway an und sage, daß ich mich ebenfalls darum kümmere.«
    Hinter dem Fliegengitter blinzelte Duane. Es war nicht Aufgabe des städtischen Constable, sich um Todesfälle auf Highways des County zu kümmern. Er tat dem Alten einen Gefallen, schlicht und einfach.
    »Bis dahin«, sagte der Constable, »werde ich unserem Friedensrichter sagen, daß seine Nachbarn sich geirrt haben müssen. Vielleicht ist der Hund eines natürlichen Todes gestorben. Das gemeine Vieh war auch ein paarmal hinter mir her.« Er hielt dem Alten die Hand hin. »Das mit Art tut mir wirklich leid, Darren.«
    Der Alte schüttelte dem Constable verblüfft die Hand. Duane kam heraus und stand neben seinem Vater, und so sahen sie dem Auto nach, wie es die lange Einfahrt entlangfuhr. Duane dachte, wenn er sich jetzt umdrehen würde, würde er wahrscheinlich zum erstenmal seit dem Unfall Tränen in den Augen des Alten sehen. Er drehte sich nicht um.
    An diesem Abend fuhren sie zu Onkel Arts Haus, um einen Anzug zu holen, den sie am nächsten Morgen zur Leichenhalle von Peo-ria bringen wollten.
    »Verdammter Unsinn«, murmelte der Alte, als sie die vier Meilen mit dem Laster fuhren. »Sie werden ihn nicht zeigen, sondern einfach mit dem Sarg verbrennen. Art könnte nackt sein, was schert uns oder ihn das?«
    Duane spürte in dem Murren die Anzeichen eines weiteren Tages ohne Alkohol, ebenso wie Trauer und eine allgemeine Gereiztheit. Der Alte hatte in den zurückliegenden Tagen einen Rekord aufgestellt.
    Duane hatte auf diesen Ausflug gewartet. Er hatte kein großes Aufhebens aus der Suche nach dem Buch machen wollen, das Onkel Art gefunden hatte und vorbeibringen wollte, als er gestorben war, aber er hatte gewußt, der Alte würde vor der Beerdigung einmal hinfahren müssen.
    Als sie eintrafen, war es dunkel. Onkel Art hatte in einem kleinen weißen Farmhaus gewohnt, das ein paar hundert Meter abseits der Straße stand. Er hatte das Haus von der Familie gemietet, die noch die umliegenden Felder beackerte - diesen Sommer Bohnen -, nur der Gemüsegarten hinter dem Haus gehörte Onkel Art. Der Alte betrachtete den Garten einen Augenblick lang, bevor sie das Haus durch die Haustür betraten, und Duane wußte, er dachte daran, daß sie herkommen und sich darum kümmern mußten. In ein paar Wochen würden sie die Tomaten essen, die Onkel Art so gern gehabt hatte.
    Das Haus war nicht abgeschlossen. Duane blinzelte und rückte beim Eintreten die Brille zurecht; er verspürte aufs neue Trauer und das Gefühl des Verlustes. Er roch den Geruch von Onkel Arts Pfeifentabak in der abgestandenen, gefangenen Luft. In diesem Augenblick wurde Duane bewußt, wie vergänglich das Leben war, wie flüchtig die Präsenz eines Menschen: ein paar Bücher, der Geruch von Tabak, den der Betreffende nie mehr genießen würde, ein paar Kleidungsstücke, die andere tragen würden, die unvermeidlichen Schnappschüsse, Dokumente und Briefwechsel, die für einen anderen kaum eine Bedeutung hatten. In dieser Welt hinterließ ein Mensch, wurde Duane mit einem Schock klar, der fast einen Schwindelanfall auslöste, kaum mehr Wirkung als eine Hand, die man ins Wasser hält. Zog man die Hand heraus, strömte das Wasser und füllte die Leere, als wäre gar nichts dagewesen.
    »Dauert nur einen Augenblick«, sagte der Alte und flüsterte

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